piwik no script img

Das PortraitDer Athletenkönig

■ Dan O'Brien

Dan O'Brien ist mit großer Sicherheit der multinationalste Sportler der Welt. Er ist der Sohn einer Finnin und eines schwarzen Amerikaners, wurde von einem strenggläubigen Ehepaar in Moscow/ Oregon adoptiert, seine Geschwister waren koreanischer, indianischer sowie mexikanischer Herkunft, und heute bereist der mittlerweile 29jährige die Welt, um jeden Zehnkampf zu gewinnen, an dem er teilnimmt. Nur einmal mißlang ihm dies gründlich: Bei den Olympia-Ausscheidungen der USA 1992 in New Orleans scheiterte der absolute Goldfavorit an der Anfangshöhe im Stabhochsprung und mußte in Barcelona zuschauen. Einen Monat später deklassierte er Olympiasieger Zmelik und stellte mit 8.894 Punkten einen neuen Weltrekord auf.

„Hallo, da kommt ja der zweitgrößte Athlet aller Zeiten!“ sagte O'Brien grinsend in Göteborg, als er den zweimaligen Zehnkampf-Olympiasieger Daley Thompson erblickte. Der größte ist natürlich er selbst, und damit hat der US-Amerikaner nicht einmal übertrieben. Die Zehnkämpfer gelten seit je als die „Könige der Athleten“, und selten zuvor hat jemand diese Disziplin so beherrscht wie Dan O'Brien. In Göteborg wurde er nun zum dritten Mal Weltmeister, sein Traumziel, das Erreichen der 9.000 Punkte, blieb ihm jedoch verwehrt. „Seit der High-School war das mein schlechtester Sprung“, klagte er über die 7,55 Meter im Weitsprung, die ihn wertvolle Punkte kosteten. Am Ende hatte er bloß 8.695 Zähler, doch 9.000 sind keine Utopie. Zählt man seine Bestleistungen in den zehn Disziplinen zusammen, kommt man auf 9.450 Punkte, und O'Brien scheint durchaus fähig, an zwei knochenharten Wettkampftagen wirklich das Beste aus sich herauszuholen.

Dan O'Brien, Weltmeister im Zehnkampf Foto: Reuter

Am liebsten wäre es ihm, wenn er die magische Grenze 1996 in Atlanta überschreiten könnte. Voraussetzung ist jedoch, daß er seinen derzeitigen gesitteten Lebenswandel beibehält. Dan O'Brien neigt nämlich zu Exzessen, vor allem alkoholischer Art, und wenn ihn Verletzungen plagen, verliert der „Weichling“ (O'Brien) leicht die Lust an seinem Sport. Meist war es Coach Mike Keller, der den Quartalstrinker zur Raison brachte, auch wenn er sich manchmal vorkam wie ein „hilfloser Feuerwehrmann“. Der Trainer hofft inständig, daß vor Atlanta keine weiteren Löscharbeiten erforderlich sind, O'Brien selbst ist da nicht sicher: „Es kann immer wieder passieren. Aber ich weiß, was auf dem Spiel steht.“ Matti Lieske

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen