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Kein Geld für Kranke

■ Das Modellprojekt zur Rehabilitation psychisch Kranker im Bezirk Tempelhof steht kurz vor der Schließung

Das vor fünf Jahren ins Leben gerufene Berliner Modellprojekt „Gerontopsychiatrische Übergangspflege“ in Tempelhof ist akut gefährdet. Wenn sich der Verband der gesetzlichen Krankenkassen nicht umgehend an der finanziellen Absicherung beteiligt, muß die Arbeit zum Jahresende eingestellt werden, teilte der Chefarzt der psychiatrisch-neurologischen Abteilung des Wenckebach-Krankenhauses, Rüdiger Trabant, gestern mit.

Bisher wurde das Gemeinschaftsprojekt des Krankenhauses und der Diakoniestation Tempelhof aus eigenen Mitteln und mit Unterstützung der Senatssozialverwaltung getragen. Die Landesbehörde, die für die Personalkosten in Höhe von jährlich rund 200.000 Mark aufkam, stellt ihre Zuwendungen Ende 1995 ein. Sie wäre nur dann zu einer weiteren Finanzierung bereit, wenn auch die Kassen ihren Beitrag leisten, sagte Holger Gerecke von der Sozialverwaltung. Bislang habe nur die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Bereitschaft signalisiert, das Projekt mitzutragen. Die anderen Krankenkassen verweigern ihre Unterstützung oder seien bislang noch sehr zögerlich.

Erfolgreiche Rehabilitation

Das Projekt sieht die umfassende Rehabilitation von psychisch kranken alten Menschen vor. Hierbei werden die Patienten zunächst in der Klinik und nach der Entlassung zu Hause von derselben Bezugsperson betreut. Ziel ist es, daß die Betroffenen trotz ihrer Krankheit dauerhaft in ihrer gewohnten Umgebung leben können. Nach einer wissenschaftlichen Untersuchung konnte bisher die Hälfte der 150 Patienten erfolgreich reintegriert werden. Durch die Verkürzung der Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und die Vermeidung von Heimeinweisungen wurden nachweisbar erhebliche Kosten gespart.

Nach den Worten Trabants wäre das Aus des Projekts ein „Skandal“. Es sei nicht einzusehen, weshalb die Kassen, die am meisten von dieser Lösung profitieren, sich aus der finanziellen Verantwortung stehlen. Zudem würde das Ende des Projekts der Forderung der Kassen und der erklärten Absicht des Gesundheitsstrukturgesetzes widersprechen. Dort wird gefordert, vorhandene Lücken in der Kooperation zwischen stationärer und ambulanter Betreuung zu schließen. ADN

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