: Innensenator pflegt die Sprache
■ Staatssekretär Kuno Böse erklärt, was Deeskalation ist
taz: Innensenator Heckelmann hat sich vom Begriff der Deeskalation verabschiedet. Schlägt die Polizei jetzt schneller zu?
Staatssekretär Kuno Böse: Es geht um den Begriff Deeskalation. Dieser ist ideologisch überfrachtet. Eskalation ist das Anheizen einer angespannten Situation. Deeskalation bedeutet das Gegenteil, zur Entspannung beitragen.
Deeskalation eine gute Sache?
Ja, aber dieser Begriff wurde Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre mit einer bestimmten Polizeitaktik unter der rotgrünen Koalition identifiziert und ist jetzt wieder durch die „Chaostage“ in Hannover belastet worden. Die Öffentlichkeit denkt bei Deeskalation, die Polizei darf nicht das tun, was sie für notwendig hält, sondern muß abwarten.
Der Innensenator betont, daß für ihn die Aufrechterhaltung von Ordnung und Gesetz im Vordergrund steht. Deshalb wird er der Polizei keine Vorgaben machen, die sie an der Erfüllung dieser Aufgaben hindert.
Wird die Polizei in Hannover an dieser Aufgabe gehindert?
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe versucht zu erklären, wie der Begriff Deeskalation von der Öffentlichkeit inzwischen gewertet wird. Um in Berlin zu bleiben: Für die Berliner Polizei steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Vordergrund.
Daß die Polizei Schlag- oder Schußwaffen verhältnismäßig einzusetzen hat, gilt doch sowieso.
Ich will das ja nur festhalten. Gegen Straftaten hat die Polizei vorzugehen. Sie muß aber abwägen, wie und wann sie eingreift und ob sie damit die Situation auf die Spitze treibt und das Gegenteil dessen erreicht, was sie beabsichtigt. Nämlich Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Nehmen wir den Trauerzug der Kurden. Hier wurden Fahnen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gezeigt. Dies ist eine Straftat. Die Polizei holte die Fahnen nicht aus der Menschenmenge heraus, sondern fotografierte und filmte die Straftäter, gegen die Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden.
Zurückhaltung heißt also nicht, daß die Polizei bei Straftaten folgenlos zusieht oder daß es rechtsfreie Räume gibt.
Also die Einsatzkonzepte der Polizei ändern sich nicht?
Wenn Sie so wollen, geht es nur um den Begriff, der zu Recht oder zu Unrecht mit bestimmten Inhalten überfrachtet ist.
Will Heckelmann also nur den starken Mann markieren?
Das hat nichts mit Wahlkampf oder einem vermeintlich starken Mann zu tun. Die Einsatztaktik der Berliner Polizei soll nicht mit belasteten Begriffen belegt werden. Interview: Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen