: Französische Interessen bedrohen Erno/Bremen
■ „Raumfahrt-Zentrum“ Bremen adé? / SPD ist gegen bemannten Raumfahrt
Nicht nur der Standort Bremen für den Flugzeugbau (Dasa/Airbus), auch für Bremen als Raumfahrt-Standort (Dasa/Erno) gibt es eine „existentielle Bedrohung“. So formuliert es der zuständige parlamentarische Staatssekretär für Forschung und Technologie, Bernd Neumann. Hintergrund: Die Dasa hatte das ehemalige Erno-Werk in Bremen im wesentlichen auf die Entwicklung „orbitaler Infrastruktur“ für bemannte Raumfahrt reduziert. Das bedeutet: Wenn die Europäische Space-Agentur (ESA) eine eigene Kapsel für die zwischen Rußland und den USA veinbarte gemeinsame Raumstation plant, dann ist Erno ausgelastet und selbstverständich „Systemführer“ für diese Technologie-Entwicklung. „COF“ heißt diese Kapsel in der Raumfahrt-Kürzelsprache.
Die Spezialisierung hat aber ihre Kehrseite: Was ist, wenn COF nicht kommt? Frankreich zum Beispiel, zweiter Zahlmeister des europäischen ESA-Programms, kann seine technologischen Potentiale in COF nicht einbringen. Frankreich will deswegen andere Schwerpunkte auf der ESA-Ministerkonferenz im Oktober in Toulouse durchsetzen, die den französischen Interessen mehr entgegenkommen und die die französischen Technologie-Zentren eher auslasten, und die COF-Kapsel ganz streichen. Der bisherige Interessenausgleich zwischen der deutschen und der französischen Technologie-Politik funktioniert aus einem schlichten Grund nicht mehr: Wegen der Finanzkürzungen bei allen europäischen Partnern müssen in Toulouse irgendwo Abstriche gemacht werden.
Bernd Neumann wollte am vergangenen Freitag über den Ausgang des Pokers keinerlei Prognosen wagen. „Es besteht ein Einigungszwang“, meinte er nur, denn wenn man sich nicht einige, passiere nichts – „und das wäre auch schlecht für den Standort Bremen“. Ein gutes Argument sieht Neumann auf der bremischen Seite: „Wenn die Kapsel für die Raumstation nicht kommt, wäre das der Ausstieg Europas aus der bemannten Raumfahrt.“ Aber die süddeutschen Standorte der Dasa würde das nicht betreffen: In Friedrichshafen wird Satelliten-Technik entwickelt, und in München Antriebssysteme für die Raumfahrt. Diese beiden Bereiche sind einigermaßen krisensicher, nicht allerdings die Projekte der bemannten Raumfahrt, deren enorme Kostenstruktur früher dank der militärischen Interessen außer Frage stand.
Unklar ist auch, sagt Neumann, ob denn die bemannte Raumfahrt überhaupt politisch noch gewollt wird. Es könnte sein, daß manche sich „möglicherweise hintenrum“ von dem teuren Vergnügen verabschieden wollten, orakelte der CDU-Staatssekretär. Von der SPD in Bonn gibt es viele kritische Stimmen. Sogar von dem neuen Daimler-Konzernchef Schrempp fehle ein „unzweifelhaftes Ja zu dem Standort Bremen“ und der hier vertretenen Technologie der bemannten Raumfahrt.
Neumann stellte auch die Frage, ob denn hier in Bremen „alle an einem Strang ziehen“. Während er zum Flugzeugbau wenigstens starke Worte gemacht hat, hat Bürgermeister Scherf die Zukunft der Raumfahrt-Abteilungen Dasa/Erno nicht zu seiner Sache gemacht. Vor Jahren hatte Scherf sich in einer monatelangen Auseinandersetzung mit dem Altbürgermeister Koschnick sogar heftig gegen die Programme der bemannten Raumfahrt ausgesprochen. Bonner Technologie-Experten der SPD-Bundestagsfraktion hatte Scherf dabei auf seiner Seite. Die bemannte Raumfahrt befaßt sich vor allem mit den Problemen, die die Anwesenheit von Menschen im All schaffen, die sie also selber produziert. Alle anderen wissenschaftlichen Experimente lassen sich mit – erheblich weniger kostspieligen – unbemannten Satelliten ebenso oder sogar besser machen. So hat der Bonner Technologie-Experte der SPD, Peter Glotz, die Kürzung der Förderuung für bemannte Raumfahrt verlangt, damit andere Technologie-Bereiche mehr gefördert werden können.
Ohne das Projekt COF und die Technologie-Entwicklung für bemannt Raumfahrt allerdings, sagt Neumann, wäre Erno-Bremen „nur noch ein Torso“. K.W.
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