Streit um Neuregelung der Abschiebehaft

■ SPD-Fraktion lehnt den Senatsentwurf eines Gesetzes für Abschiebehäftlinge ab: Gleichstellung mit Straftätern kritisiert

Eine Schlappe für den Senat: Das Parlament wird aller Wahrscheinlichkeit nach einen Gesetzentwurf zur Abschiebehaft ablehnen, den die Landesregierung erst vor drei Tagen beschlossen hat. Die Fraktionen von CDU und SPD verhandeln seit gestern jedenfalls über einen eigenen Entwurf – hinter verschlossenen Türen. Der Senatsentwurf sieht vor, daß bei der Abschiebehaft in Berlin „die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes entsprechende Anwendung“ finden. Der ausländerpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Eckhardt Barthel, aber hat „große Bedenken“, ob eine Unterbringung von Unschuldigen nach dem Strafvollzugsgesetz rechtlich zulässig ist.

Ein Gesetz zur Abschiebehaft wurde nötig, weil im Juli das Verwaltungsgericht Greifswald das Fehlen einer solchen Rechtsgrundlage zum Anlaß nahm, einen Berliner Abschiebehäftling aus dem Abschiebeknast Kruppstraße freizusetzen. Denn Ausländer, deren Ausreise aus der Bundesrepublik mit der Abschiebehaft erzwungen werden soll, sind in der Regel keine Straftäter.

Folglich, meint Barthel, dürfe für ihre Unterbringung auch kein Gesetz zur Anwendung kommen, dessen Zweck die Bestrafung, die Resozialisierung und der Schutz der Gesellschaft vor diesen ist. Er fordert ein Abschiebehaftgesetz, das den Betroffenen soviel Freiheit einräumt wie möglich. Diesem Anliegen komme die CDU in den Verhandlungen entgegen, berichtete Barthel.

Dennoch gebe es vier Streitpunkte. Während die SPD eine „gute Atmosphäre“ in der Abschiebehaft durchsetzen möchte, liege der CDU vor allem viel an „Sicherheitsinteressen“. So muß in den Verhandlungen geklärt werden, ob Abschiebehäftlinge, die oft besonders selbstmordgefährdet sind, ungehindert fernsehen können oder ob nicht das Kabel des TV-Geräts Suizidversuche erst ermöglicht.

Mitverhandler Dieter Hapel, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, hält dagegen den Senatsentwurf für rechtlich zulässig. Innen- und Justizverwaltung hätten dies schließlich zuvor geprüft. Dennoch sieht auch er die Schwierigkeit, daß das Strafvollzugsgesetz eigentlich eine andere Funktion erfülle.

Am kommenden Montag wird sich auch die Innenverwaltung an den Verhandlungen beteiligen. Innenstaatssekretär Kuno Böse verteidigte gestern auf Anfrage den Senatsentwurf ohne Leidenschaft. Berlin habe auf ein Gesetz zurückgegriffen, daß Rheinland-Pfalz seit Jahren anwende. Jenes Gesetz sei mit seinen Verweisen auf das Strafvollzugsgesetz schlanker und deshalb schneller einzuführen als ein völlig neues Abschiebehaftgesetz. Und da in dem Entwurf nicht alle Paragraphen des Strafvollzugsgesetzes übernommen worden seien, hätten Abschiebehäftlinge mehr Freiheiten als Strafgefangene. Beispielsweise dürften Abschiebehäftlinge tagsüber jederzeit besucht werden, fernsehen und telefonieren. Dirk Wildt