piwik no script img

Murphys Adressat ist Möhlmann

■ Neben dem mit 2:1 bezwungenen Hamburger SV kennt Arminia Bielefeld noch weitere schlagbare Bundesligisten

Bielefeld (taz) – Kleinlaut gab sich der Ordnungsdienst, der nach dem 2:1-Pokalsieg der Arminia über den Hamburger SV die Gästedelegation um den ehrenwerten Präsidenten Ronald Wulff und den Trainer Benno Möhlmann zur Pressekonferenz in eine nahe gelegene Schule geleitete. Provisorisch sei das eben alles und das Stadion alt. Quer über einen Rasen mußte der Troß nämlich traben, direkt durch die heimströmenden Zuschauermassen. Zu allem Überfluß hatten einige aufmerksame Fans eine passende Melodie zu der hämischen Zeile „Der Möhlmann ist jetzt arbeitslos“ gefunden und diese lautstark intoniert.

„Morgens“, erinnerte sich der Besungene dann vor den Medien, „haben meine Spieler noch einen sehr selbstbewußten Eindruck gemacht.“ Pünktlich zum Spielbeginn jedoch war nichts mehr übrig. Da stand der Erstligist genauso wacker in der eigenen Hälfte wie andere Vereine zwischen Zwickau und Edenkoben, die in den letzten Jahren die Alm zu Pflichtspielen aufsuchten. „Nicht eng genug am Mann“ habe man in der ersten Halbzeit gearbeitet, rügte der Coach, dem Gastgeber „im Mittelfeld zuviel Raum gelassen“.

Der nutzte ihn angemessen, spielte druckvoll und hatte bereits in den ersten Minuten gute Torszenen durch den agilen Fritz Walter oder den Bulgaren Ivailo Andonov. Hinten hingegen wartete Torwart Uli Stein, der der Partie erst durch seine Angriffe gegen seinen Ex-Verein HSV die letzte Prise Brisanz verliehen hatte, über eine halbe Stunde auf die erste Bewährungsprobe. Als unmittelbar nach der Halbzeit der Bielefelder Ronald Maul den Ball fulminant in den rechten oberen Winkel drosch, durfte der arme Möhlmann sich als Musteradressat von Murphys Gesetz empfinden: Wenn sowieso nichts klappt, geht gleich alles schief. Und nachdem Stein ihm schon im Vorfeld die Demontage Letschkows vorgeworfen hatte, mußte sich Möhlmann von den Kritikern fragen lassen, warum der zuletzt überzeugende Michael Mason nicht von Beginn an Berücksichtigung gefunden hatte. Seinem Präsidenten Wulff schwante, die Medienkampagne in Hamburg könne nicht spurlos an der Mannschaft vorübergegangen sein. „Selbst nach guten Leistungen“, zürnte der Noch- Funktionär, „werden die doch fertiggemacht“. Selbst als Christian Claaßen zehn Minuten nach dem Rückstand zum Ausgleich einköpfte, bekamen die Hanseaten kein mentales Oberwasser. Schon fünf Minuten später führte ein Musterkonter, abgeschlossen vom schnellen Bode, zum Pokal-Aus.

Bereits mit dem taktischen System, berichtet der aufstrebende Bielefelder Trainer Ernst Middendorp, sei es darum gegangen, Dominanz zu zeigen. Nicht wie sonst üblich beim Fußball-Kampf des Kleinen gegen den Großen, habe er als „Nummernpraktiker“ seinen Leuten die Gegenspieler zugeteilt, sondern „voll aus dem Raum spielen lassen“. Erst in der letzten Viertelstunde ging es drunter und drüber in der Bielefelder Abwehr, als die Hamburger drückten und mehrere gute Chancen versiebten, wie es auf der Gegenseite einmalig auch Fritz Walter tat.

Während Möhlmann das Aus niedergeschlagen und kleinlaut durchstand, gab der Bielefelder Trainer eine kleine Lektion in puncto Ausstrahlung von Selbstbewußtsein: Man müsse „auch bei Bundesligavereinen kategorisieren“. So gut sei der HSV unter denen nicht und die zweite Pokalrunde daher fest eingeplant gewesen. Überdies gebe es noch andere bezwingbare Bundesligisten. Weil man solche Vergleiche in Bielefeld gerne regelmäßig hätte, hat bereits am Sonntag wieder der Alltag begonnen, mit der Vorbereitung auf das Spitzenspiel gegen Hertha BSC. Forsch hatte Middendorf das gestrige Training für neun Uhr angesetzt. Jörg Winterfeldt

Tore: 1:0 Maul (48.), 1:1 Claaßen (58.), 2:1 Bode (62.); Zuschauer: 18.500 (ausverkauft)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen