: Chiracs Euro-Bombe
■ Frankreich reagiert auf Proteste politisch hilflos
Als Jacques Chirac am 13. Juni bekanntgab, daß Frankreich noch sieben oder acht letzte Atomversuche durchführen müsse, rechnete er nicht mit einer weltweiten Protestwelle. Selbst im eigenen Land glaubt nur eine Minderheit an die angebliche Notwendigkeit dieser Testexplosionen. Chirac stellte auch seine Partner vor vollendete Tatsachen, indem er seinen ohne jegliche Absprache getroffenen Beschluß als „unwiderruflich“ bezeichnete. Als Folge davon steht er ziemlich allein da. Chirac dürfte nicht damit gerechnet haben, daß er sich plötzlich in der Gesellschaft der chinesischen Atombombentester wiederfindet. Um nicht das Gesicht zu verlieren, will die französische Staatsführung ihr Programm bis zum Ende durchspielen. Entsprechend gereizt reagieren die Behörden auf die Protestaktionen. Das gestrige Verbot einer Greenpeace-Kundgebung auf der Seine und einer Menschenkette zur Überreichung der vier Millionen Unterschriften gegen die Tests ist Beweis für diese Nervosität im Elysée-Palast. Will Chirac um seine Festung auch eine Zwölfmeilensperrzone einrichten wie um Moruroa?
Die Hindernisse, die die Polizeipräfektur in Paris und die Marine im Südpazifik den Atomtestgegnern in den Weg stellen, sind Ausdruck einer politischen Hilflosigkeit. Zu befürchten ist jetzt, daß die französischen Hüter der atomaren „Ordnung“ in ihrem Eifer gewalttätig werden. Das wäre tragisch für die Pazifisten, in jedem Fall aber kontraproduktiv für Frankreichs Staatsmacht. Welche Folgen es in der Konfrontation mit Greenpeace hat, militärischen Blödsinn zu machen, das sollte man in Paris seit der Versenkung der „Rainbow Warrior“ vor zehn Jahren wissen.
Frankreichs Präsident will den angerichteten Schaden in Grenzen halten. Chirac hatte seine EU-Partner gleich nach seinem Amtsantritt vor den Kopf gestoßen. Im nachhinein will er sie in die Mitverantwortung ziehen und die Force de frappe als „Euro-Bombe“ verkaufen: Wenn Frankreich über „glaubwürdige“ Abschreckungswaffen verfügt – und dazu Tests durchführt –, dann ist das doch nur im Interesse der Sicherheit Europas, argumentiert Chirac. Auf einem Botschafter-Arbeitstreffen ließ er vorgestern anklingen, die französische Atommacht könnte in die gemeinsame Verteidigung eingebracht werden.
Das ist freilich nur eine unverbindliche Idee. Das alleinige Recht, auf den „roten Knopf“ zu drücken, will Chirac dann doch nicht mit Helmut Kohl teilen. Rudolf Balmer, Paris
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