: Lieber dick und dafür keine Falte im Gesicht
■ Die Mannheimer Rocksängerin Joy Fleming wehrt sich gegen die Schlankheitsdiktatur: „Ich hab' zwei Kaiserschnitte, eine Schrumpfniere und ein paar Pfund zuviel – na und?“
taz: Frau Fleming, wie viele Diäten und Hungerkuren haben Sie hinter sich?
Joy Fleming: Es waren drei, und dann nie wieder eine. Zuerst kam eine Nulldiät, bei der mir gleich der Kreislauf zusammengesackt ist. Dann hab' ich noch zwei andere Diäten gemacht: Kalorienzählen und FDH, friß die Hälfte. Aber bei allen Diäten ging's mir dreckig. Und man wird einfach immer dicker dabei. Da hab' ich gesagt, schluß, aus, das tut mir nicht gut.
Was waren Ihre Motive für die Hungerei?
Zuerst haben die Fernsehmacher gesagt, ich sei zu fett. Als dann der Produzent auch noch meinte, ich müßte wie eine Discomaus aussehen, hab' ich die Nulldiät gemacht. Ich bin dann tatsächlich sehr schlank geworden, aber es ging mir körperlich überhaupt nicht gut. Als auch noch die Stimme anfing zu zittern, hab' ich aufgehört. Durch meine zwei Schwangerschaften bin ich auch nicht schlanker geworden.
Stimmt es, daß Ihnen ein Auftritt im Fernsehen mit der Begründung verweigert wurde, Sie seien zu dick?
Das war in der ARD bei der Sendung „Montagsmaler“. Es war nicht mal die Redakteurin der Sendung, sondern ihre Sekretärin. Die ist richtig frech geworden und sagte, ich sei einfach zu fett fürs Fernsehen. In einem Baden-Badener Club hat mich dann der ARD- Intendant Hirschmann als fett beschimpft. Ich hab' zu ihm gesagt, daß ihm meine Figur wahrscheinlich egal wäre, wenn ich eine Schwarze wäre. Er meinte, ich sei aber nicht schwarz, sondern fett. Mein Mann und die ganze Band sind Zeuge. Es war fürchterlich. Ich hab' an dem Abend ohne Gage gesungen, und dann noch solche Sprüche aufs Ohr. Ich find' das ekelhaft, wie die mit dicken Menschen umgehen. Der Westernhagen mit seinem Song „Dicke Menschen stinken“ ist auch so einer.
Sie entsprechen nicht den Normen des Showbiz. Mit Ausnahme schwarzer Mamies haben Sängerinnen spargelschlank zu sein, mit Beinen bis zum Mond.
Gut, ich entspreche nicht der Norm, aber Schönheit ist vergänglich. Ich habe dafür den Vorteil, daß ich singen kann, und das können die wenigsten. Viele meiner Kolleginnen sind ganz schlank, aber wenn sie den Mund aufmachen und zu singen versuchen, wird mir übel.
Der gesellschaftliche Druck auf Frauen ist riesengroß. Medien, Mode, Werbung – jeden Tag wird Frauen demonstriert, wie sie auszusehen haben.
Das ist doch mir egal. Den idealen Menschen gibt es nicht. Und Mode gibt es auch für Dicke von Größe 42 bis 64. Sehen Sie sich doch mal die Girls an, die sich da zu Tode hungern, was die für krumplige Gesichter kriegen. Die werden nicht schöner von den ganzen Diäten. Ich bin zwar nicht schlank, aber ich hab' keine Falte im Gesicht.
Warum gibt es nicht mehr Frauen, die souverän mit ihren Pfunden umgehen?
Die haben kein Selbstvertrauen und kein Standing. Die lassen sich von jedem Typ bequatschen und von jedem schiefen Blick verrückt machen. Wenn mein Mann heute zu mir sagt, du bist mir zu fett, dann sag' ich sofort: „Und tschüs!“ Ich bin wie ich bin, mach' meinen Job, und die Leut' akzeptieren mich. Ich bin 50 Jahre alt, hab' zwei Kaiserschnitte, eine Schrumpfniere und ein paar Pfund zuviel. Na und? Mit meinen 50 sing' ich noch jeden deutschen Interpreten in den Sack rein und den Sack runter.
Passen Sie beim Essen auf?
Seit ein paar Jahren achte ich bewußter drauf, ob ich mir abends noch ein Stück Schokolade reinwürge. Ich will mich nicht fettfressen, aber ich will auch nicht hungern. Bei mir wird richtig gekocht, nicht aus der Dose, sondern gute Sachen. Und wenn ich einen Knödel mit Sauerbraten essen will, dann ist mir das total wurst, ob da 100 Leut' zugucken. Mir ist wirklich scheißegal, was die Leut' reden. Ich halt' mein Gewicht. Schauen Sie sich die Bardot an. Die sieht aus wie ein Faltenrock, aber die steht dazu. Das find ich gut. Die Jahre, das Leben, die Enttäuschungen spiegeln sich im Gesicht. Wenn ich das wegmach' und mich liften lasse, warum hab' ich dann gelebt? Da kann ich mir mit 30 die Kugel geben. Man darf nicht dick sein, man darf nicht alt sein, man darf gar nichts mehr. Interview: Manfred Kriener
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