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Aus dem Frauenhaus in den Tod

■ Zwei ins Frauenhaus geflüchtete Frauen wurden nach der Rückkehr von ihren Männern totgeprügelt

„Am 27. 7. wurde Madeleine Milivojevic von ihrem gewalttätigen Ehemann gefoltert und erschlagen. Am 31. 8. 95 wurde Jutta Schramm von ihrem gewalttätigen Freund gefoltert und erschlagen“ – Anklagen in Form einer Todesanzeige am vergangenen Samstag in der taz. Zwei Berliner Frauenhäuser und das Frauenhaus in Königs Wusterhausen haben einen ungewöhnlichen Weg gewählt, um das Thema „Männergewalt gegen Frauen“, das allzuoft als „Kavaliersdelikt“ betrachtet wird, öffentlich zu machen: „Wir empfinden Trauer, Wut und Zorn!“ Regine Grabowski vom Frauenhaus in Königs Wusterhausen, wohin Madeleine Milivojevic aus Steglitz geflüchtet war, beklagt nicht nur eine fehlende „rigorose Gesetzgebung“, sondern auch den verharmlosenden Umgang der Öffentlichkeit mit diesem Thema. Auf der Beerdigung am Dienstag habe sie eine Bestätigung für die „Tabuisierung“ gefunden. Der Pfarrer habe nur von „mißlichen Umständen“ gesprochen, unter denen die 38jährige Frau ums Leben kam. Mit keinem Wort habe er das tragische Schicksal der Frau erwähnt.

Madeleine Milivojevic, die mit einem Mann aus dem ehemaligen Jugoslawien verheiratet war, flüchtete nach Königs Wusterhausen, nachdem sie zuvor bereits mehrmals in Berliner Frauenhäusern Zuflucht vor ihrem gewalttätigen Mann gesucht hatte. Nach acht Wochen, so Grabowski, in denen sich die 38jährige von ihren durch Prügel verursachten Gleichgewichts- und Sprachstörungen erholt habe, sei die Mutter einer 14jährigen Tochter am 21. Juli mit ihrem Ehemann zurückgekehrt. Sie hätten sich ausgesprochen, ihr Mann hätte Besserung gelobt.

Sechs Tage später war Madeleine Milivojevic tot, gestorben an den Folgen der schweren Mißhandlungen durch ihren Mann. Die Obduktion ergab Rippenbrüche, ein gebrochenes Schlüsselbein, Milz- und Darmrisse sowie Hirnblutungen. Ihr Mann, gegen den wegen Totschlags ermittelt wird, hat nach Polizeiangaben gestanden, seine Frau jahrelang geschlagen und mißhandelt zu haben.

Gegen den Lebensgefährten der 51jährigen Jutta Schramm, die Ende August leblos mit Kopfverletzungen in ihrer Wohnung in Siemensstadt gefunden wurde, wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Drei Tage nach ihrem Tod hatte sich der 42jährige Mann bei der Staatsanwaltschaft gemeldet, jedoch eine Beteiligung an dem Tod bestritten.

Um künftig Schicksale wie die von Madeleine Milivojevic und Jutta Schramm zu verhindern, startet im Oktober ein in Deutschland einzigartiges Projekt: das „Berliner Interventionsprojekt gegen Gewalt“ (BIG), das sich an dem amerikanischen Projekt „Domestic abuse intervention project“ orientiert. Gebildet werden soll eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Justiz, Polizei, Frauenhäusern und der Senatsverwaltung für Frauen und Arbeit.

Stephanie Pruschansky von der Senatsverwaltung beschreibt die Ziele des vom Bund und vom Land finanzierten Projektes: Frauen sollen nach handgreiflichen Attacken der Männer nicht mehr der „Willkür der Polizisten“ ausgesetzt sein. Vielfach stuften diese die Mißhandlung als innerfamiliäre Angelegenheit ein und überließen die Frauen damit ihrem Peiniger. Statt dessen soll die Justiz in jedem Fall tätig werden und gegebenenfalls eine „Bannmeile“ um die Wohnung verhängt werden, damit Frauen nicht in Frauenhäuser flüchten müssen. Auch wenn die sechs Frauenhäuser ständig überbelegt sind und im letzten Jahr über 2.000 Frauen dort Zuflucht fanden, sei der Bau neuer Frauenhäuser keine Lösung, so Pruschansky. Es gehe darum, den Frauen diesen „Lebensbruch“ zu ersparen. Dazu sei es wichtig, auch mit gewalttätigen Männern zusammenzuarbeiten. Statt Reue vor dem Richter sollen richterliche Auflagen Antigewalttherapien zwingend vorschreiben. Barbara Bollwahn

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