"Sei doch froh, daß er tot ist"

■ Zeugin belastet ehemaligen Liebhaber, ihren Stiefvater und eine Geliebte ermordet zu haben, um Betrügereien zu vertuschen / Der Beschuldigte behauptet, die Zeugin habe ihn zu einem Mord angestiftet

Auf der Anklagebank sitzen zwei Stiefbrüder. Der 45jährige Frührentner Michael Sch. und der 43jährige ungelernte Arbeitslose Detlef H. Laut Anklage sollen sie zwei Menschen brutal und hinterrücks umgebracht haben, um einen Versicherungsbetrug und dubiose Geschäfte in Millionenhöhe zu vertuschen. Im Gerichtssaal sitzen sie zwei Meter auseinander.

Michael Sch. wird vorgeworfen, vor knapp zwei Jahren den Stiefvater seiner ehemaligen Geliebten hinterrücks im Schaukelstühl erwürgt haben. Die Frau war zuvor mit seinem Stiefbruder liiert. Der Beschuldigte streitet die Tat nicht ab, behauptet aber, er habe auf Geheiß der Stieftochter und der Ehefrau des Opfers gehandelt. Weiterhin wirft ihm die Anklage vor, eine unliebsame Mitwisserin brutal in der Badewanne ertränkt zu haben, weil sie als ebenfalls als ehemalige Geliebte von seinen illegalen Machenschaften gewußt haben soll. „Ein Unfall“, sagt der 45jährige. Gestern sagte die Stieftochter des Mordopfers aus. Zu ihrer Sicherheit waren vier Polizeibeamte im Gerichtssaal. Die 27jährige Hauskrankenschwester bestritt die Anstiftung zum Mord, belastete sich aber dennoch selbst. Sie gab zu, daß sie von dem Einbruch in ihre Wohnung gewußt habe, den Michael Sch. vorgetäuscht hatte, um von der Versicherung 40.000 Mark zu kassieren. Michael S. habe ihr gesagt, wie „einfach so etwas sein soll“, und auch wenn sie überrascht war, wie leicht eine Versicherung betrogen werden könne, habe sie den Betrug abgelehnt.

Als sie dann aber im Juli vor vier Jahren nach Hause kam, die Wohnungstür aufgebrochen und die Wohnung „verwüstet“ war, habe sie gewußt, „daß er es war“. Aus Angst vor Michael Sch., der sie sexuell genötigt habe, und aus Sorge um ihr Kind habe sie bei der Kripo eine Falschaussage gemacht und 10.000 Mark von der Versicherungssumme behalten. Michael Sch. habe sie immer wieder gedrängt, „das Ding durchzuziehen“.

Drei Monate später hat Bettina H. zusammen mit ihrem Freund Michael Sch. ihre Mutter und ihren Stiefvater Norbert S. besucht. Die Atmosphäre sei „nett“ gewesen. Es sei reichlich Bier und Schnaps geflossen. Irgendwann habe dann der Stiefvater einen für ihn verhängnisvollen Satz zu Michael Sch. gesagt: „Kümmere dich, daß Bettina und ihr Kind wieder richtig wohnen.“ Diese Äußerung müsse Michael Sch. so gedeutet haben, als wisse er von dem fingierten Einbruch. Denn Michael Sch. habe sie „ganz komisch“ angesehen. Darauf sei er zu dem herzkranken Norbert S. gegangen, habe ihm dann „wie aus heiterem Himmel“ seinen Arm um den Hals gelegt und ihn erwürgt.

Als sie ihm zu Hilfe eilen wollte, habe ihr Freund sie mit den Worten „Sei doch froh, daß er tot ist“ zurückgestoßen. Hilfesuchend habe sie zu ihrer Mutter geblickt. Doch die habe zu ihrer großen Überraschung „nichts getan“, sagte die Zeugin mit tränenerstickter Stimme. Dann habe Michael Sch. ihr befohlen, beim Abtransport der Leiche Schmiere zu stehen. Aus Angst vor ihm sei weder sie noch ihre Mutter zur Polizei gegangen. Der Beschuldigte habe ihr gedroht, ihr würde das Gleiche wie ihrem Stiefvater passieren.

Michael Sch. seinerseits hatte seine Ex-Geliebte beim Prozeßtag am Montag dieser Woche schwer belastet. Er habe den Stiefvater nur auf Drängen von Bettina H. und ihrer Mutter getötet. Außerdem soll die Zeugin ihm bei dem Mord geholfen haben, indem sie die Hände ihres Stiefvaters festhielt. Weiterhin warf er ihr vor, zuvor zwei Bekannte von ihm gefragt zu haben, ob sie den Stiefvater nicht beseitigen könnten. Vorwürfe, die die blonde Frau unter Tränen und mit zitternden Händen gestern zurückwies.

Nach dem Mord an ihrem Stiefvater will die Zeugin wie in „Gefangenschaft“ gelebt haben, sagte sie gestern. Erst als Michael Sch. ein Verhältnis mit einer 16jährigen begonnen habe, habe sie etwas Ruhe vor ihm gehabt. Doch weiterhin habe er ihr von seinen dubiosen Geschäften erzählt, von denen auch seine Ex-Geliebte Marita R. gewußt haben soll. Die habe nämlich einmal am Telefon gesagt: „Ich kriege die alle am Arsch.“ Aus Angst, daß Marita R. ihre Drohung wahr machen könnte, habe Michael Sch. dann auch noch diese unliebsame Mitwisserin auf Drängen seines Stiefbruders umgebracht.

Einige Tage nach dem Mord an Marita R. habe Michael Sch. ihr erzählt, daß er sie getötet habe. Der Beschuldigte selbst hatte ausgesagt, daß Marita R. betrunken gewesen sei. „Sie wollte Sex. Ich schubste sie weg. Sie fiel in die Wanne. Es war ein Unfall.“ Das Drama aus Mord, Geld und Lügen war erst zwei Jahre nach den Morden bekanntgeworden. Bettina H. war aus Angst um ihren Ehemann zur Polizei gegangen war. Ein Urteil wird Ende Oktober erwartet. Barbara Bollwahn