: „Unser Konzept stößt auf taube Ohren“
■ Das Dilemma eines Rüstungsgegners, der den Bau des Eurofighters fordert
Frank Teichmüller, Spezialist für Industriepolitik, zählt zu den Modernisierern in der Gewerkschaftsspitze. An der Rettung der ostdeutschen Werften, die er zu einer „maritimen Verbundwirtschaft“ ausgebaut sehen möchte, hatte Teichmüller entscheidenden Anteil.
taz: Als Sozialdemokrat und hoher Gewerkschaftsfunktionär kämpfen Sie für den Bau des Eurofighters, den Sozialdemokraten und IG Metall bislang als zu teuer und überflüssig ablehnten.
Frank Teichmüller: Das ist so nicht richtig. Wir haben uns immer gegen dieses Projekt gewandt und lehnen es auch heute ab. Aber: Wenn die Bundesregierung sich schon entschlossen hat, ein solches Flugzeug zu beschaffen, dann treten wir dafür ein, daß es auch in Deutschland gebaut wird.
Erpreßt Daimler-Benz hier nicht die Politik, insbesondere die Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer?
Ja. Es ist schon erstaunlich anzusehen, wie es Daimler-Benz gelingt, in dieser Angelegenheit alle hinter sich zu scharen.
Beispiel Solarzellen-Produktion in Wedel: Hier hat die Dasa gerade die letzte Solarzellenfabrik auf deutschem Boden geschlossen, die Keimzelle einer Zukunftsindustrie ausgelöscht. Warum gab es da nicht wenigstens einen vergleichbaren Aufschrei wie jetzt um den Eurofighter?
Wenn ich eine Presseerklärung herausgebe, daß 56 Arbeitsplätze in einer strategischen Zukunftsindustrie gefährdet sind, dann erscheint das in den meisten Medien gar nicht, in der interessierten Presse vielleicht auf den hinteren Seiten als kurze Meldung. Leider ist die öffentliche Aufmerksamkeit auch eine Sache der großen Zahl. Natürlich haben wir und auch diejenigen, die nach vorne schauen, aufgeschrien.
Ist es nicht aber auch eine Schwäche der Gewerkschaften, dies innerhalb der Dasa-Belegschaft nicht vermitteln zu können?
Ja, das ist eine Schwäche. Es fällt Gewerkschaften schwer, ihre Zukunftskonzepte in die Betriebe hineinzutragen. Dabei haben wir gemeinsam mit Kollegen und Betriebsräten eine Vielzahl von Vorschlägen für eine umwelt- und zukunftsorientierte Produktion entwickelt, gerade auch Projekte der Rüstungskonversion. Mit diesen Konzepten stoßen wir allerdings überall auf taube Ohren. Die Führung der Dasa ist hier überhaupt nicht interessiert. Die Bundesregierung schon gar nicht.
Sie sind für den IG-Metall-Bezirk Küste zuständig. Im Norden wird fast ausschließlich zivil gefertigt. Warum lassen Sie sich dann vor den Karren einer süddeutschen Rüstungslobby spannen?
Wir lassen Nord und Süd nicht gegeneinander ausspielen. Ich sage mit aller Deutlichkeit: Wenn der Eurofighter kommt, wird er keinen einzigen Arbeitsplatz bei Airbus sichern. Kommt er aber nicht, dann werden Arbeitspakete aus dem Norden in die süddeutschen Werke verlagert.
Macht das betriebswirtschaftlich denn Sinn?
Nein, darauf weisen wir ja auch immer hin. Als Daimler aber MBB übernahm, war der Konzern nur an der Rüstung interessiert. Den Airbus mußte man ihm regelrecht aufdrücken.
War die Fusion von Daimler mit MBB, rückblickend betrachtet, ein Schaden für den Standort Deutschland?
Wenn Dolores kommt – Ja.
Mal ganz unrealistisch: Wie könnte Deutschland zu einer zukunftsweisenden Luftfahrtindustrie im Sinne der Gewerkschaften kommen?
Die Bundesregierung müßte ein industriepolitisches Konzept vorlegen, das aufzeigt, welche Produkte wir im Hochkostenland Deutschland mit seiner hohen Produktivität und Qualifikation fertigen wollen. Umweltfreundliche Antriebe und moderne Energietechnologie gehören mit Sicherheit dazu. Dann müßten sich Politik, Unternehmen und Gewerkschaften in einer konzertierten Aktion zusammentun, um eine zukunftsweisende Industriepolitik auf den Weg zu bringen. Und das bedeutet auch Rüstungskonversion bei den süddeutschen Werken der Dasa.
Jetzt mal ganz realistisch. Was wird wirklich passieren: Arbeitsplatzabbau bei Airbus im Norden, Sicherung von Rüstungsarbeitsplätzen im Süden und Daimler- Gewinne durch Staatsaufträge für den Eurofighter?
Wenn wir solidarisch bleiben, uns nicht auseinanderdividieren lassen, dann wird es allenfalls zu geringen Arbeitsplatzverlusten beim Airbus kommen, dann wird nicht in großem Stil ins Ausland verlagert. Es handelt sich hierbei schließlich um eine Industrie, die hochproduktiv und profitabel unter schwierigen Rahmenbedingungen arbeitet und mit Milliardensubventionen aufgebaut wurde. Es kann nicht angehen, daß ein Unternehmen diese Subventionen einsteckt und anschließend die Produktion aufgibt. Zum Eurofighter: Nach meinem Eindruck hat die Bundesregierung ihn längst beschlossen. Wenn das so ist, dann sollten wir ihn nicht im Ausland kaufen. Interview: Florian Marten
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