: Der Nazi und sein Landsitz
Der Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger hat sich in Schweden ein Schloß gekauft. Anwohner befürchten ein braunes Trainingszentrum ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff
Jürgen Rieger, tief in der braunen Szene verwachsener Hamburger Rechtsanwalt, ist dabei, sich ein Domizil in Schweden aufzubauen, von dem befürchtet wird, daß es zu einem Neonaziausbildungslager werden könnte. Der mehrfach wegen rechtsextremistischer Aktivitäten vorbestrafte Rieger, Verteidiger von Neonazigrößen wie Thies Christoffersen, Michael Kühnen und Meinolf Schönborn, kaufte bereits im April einen schloßartigen Besitz, die Sveneby-Säterei, 15 Kilometer südöstlich des mittelschwedischen Mariestad. Kaufpreis: 10,4 Millionen Kronen, dazu die Übernahme von Bankschulden in Höhe von 6,3 Millionen Kronen: zusammen umgerechnet 3,4 Millionen Mark.
Schockiert über den Hintergrund des neuen Schloßbesitzers, der jedenfalls offenbar keine Geldprobleme zu haben scheint, sind nicht nur die Verkäufer. Sie hatten vermutet, an „irgendeinen reichen Deutschen“ verkauft zu haben. Schockiert sind vor allem die Nachbarn, die den Ausbau des Anwesens zu einem neonazistischen Ausbildungslager befürchten. In der Garage des Schlosses steht seit Sommer ein militärischer Panzerbandwagen in Tarnbemalung, mit dem schwarzen deutschen Militärkreuz und der Nummer „151“ bemalt, und die Nachbarschaft erzählt, daß Rieger damit mit jugendlichen Begleitern über die Felder zu brausen pflegt.
Rieger, der in Hamburg in einer bunkerartigen Villa mit Alarmanlage, schußsicheren Fenstern und Infrarotkameras wohnt, scheint in Schweden nicht nur die gute Luft zu suchen. In der rechten Zeitschrift Nation & Europa fahndete er in einer Anzeige nach deutschen Familien, die sich auf einem schwedischen Landgut niederlassen wollen, um ein Leben „frei von Indoktrinierung, Ausländerinvasion und Drogen“ zu führen. Und er ist nicht der einzige, der rechten Deutschen in dieser Zeitschrift Landbesitz in Schweden vermitteln will: Kauf oder Vermietung von schwedischen Häusern bot in Nation & Europa auch der Berliner Helge Drescher an, selbst Eigentümer eines Hauses im südschwedischen Strömsnäsbruk. „Deutsche Neonazis versuchen sich hier offenbar ein germanisches Paradies zu schaffen,“ vermutet schon die Stockholmer Tageszeitung Aftonbladet.
Sveneby-Verkäuferin Monika Willers, die nach dem Tode ihres Mannes den seit fünf Generationen im Eigentum der Familie befindlichen Besitz in aller Eile verkaufen mußte: „Hätte ich bloß eine Ahnung gehabt, hätte ich nie an ihn verkauft. Er erzählte nur, daß er hier Konferenzen für Deutsche veranstalten wollte.“ Dazu dürfte der um 1750 erbaute Herrschaftssitz mit seinen 18 Zimmern, einem offenen Kamin aus Marmor, wertvollsten Tapeten an den Wänden und Kronleuchtern an der Decke ein allemal würdiger Rahmen sein, wo Rieger auch nach dem Bekanntwerden seines schwedischen Zufluchtsorts die Ruhe genießen kann. „Wenn herauskommt, wo ich gekauft habe, werden kommunistische Terrorgruppen kommen und einen Brandanschlag ausführen“, hatte er im August gegenüber einem Aftonbladet-Journalisten befürchtet, der vergeblich nach seinem Besitz gefahndet hatte. Auf die richtige Spur war ihm Mitte dieser Woche die Stockholmer Expressen (Titelzeile: „Nazilager“) gekommen.
Der 49jährige Anwalt, den die Londoner Daily Telegraph als „Neonazi in legalem Kostüm“ beschrieb, wurde wegen rechtsextremistischer Aktivitäten mehrfach bestraft: 1970 wegen Körperverletzung im Zusammenhang mit seiner tatkräftigen Einmischung in eine Anti-Nazi-Demonstration, 1983 wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und 1991 wegen antisemitischer Äußerungen. Vor vier Jahren war er noch einer der führenden Mitglieder der mittlerweile verbotenen „Nationalsozialistischen Front“, hat sich aber laut BeobachterInnen der braunen Hamburger Szene mehr und mehr aus der offenen propagandistischen Arbeit zurückgezogen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen