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Das Land ist voller Dosen, Das Allgäu voller Dosen-Killer

■ Eine ganze Region erklärt sich zur „Dosenfreien Zone“. Protest auf 1. 800 Metern: Die Dose als Jobkiller angeprangert

Oberstaufen/Kempten (taz) – Rund 250 Wanderer schleppten sich gestern im Schweiße ihres Angesichts, vollgepackt mit Dosen, 1.832 Meter hoch in die Allgäuer Alpen. Dort oben auf dem Gipfel des Hochgrats war eine Riesendose aufgebaut, in die die Wanderer – darunter viele Jugendliche – die gesammelten Blechbüchsen warfen. Bier, Cola und Limonade waren einstmals in diesen Gefäßen, denen es künftig zumindest im Allgäu schlecht ergehen soll. Auf dem Hochgrat wurde gemeinsam von zehn mittelständischen Brauereien und dem Abfallzweckverband Kempten (ZAK) die „Dosenfreie Zone Allgäu“ ausgerufen. Unterstützt wird die Aktion von mehreren Umweltverbänden. Daß künftig an den Ortsschildern zahlreicher Allgäu-Orte neben dem Ortsnamen auch Anti-Dosen- Schilder angebracht werden, hat seinen guten Grund. Durch die immense Büchsenflut, die Großbrauereien auf die Märkte drücken, sehen zahlreiche mittelständische Brauereien ihre Existenz gefährdet. „Ein Verdrängungswettbewerb auf Kosten der Allgemeinheit“, befand schon vergangenes Jahr der Abfallexperte des BUND (Bund Naturschutz in Deutschland), Olaf Bandt. Schließlich hätten die Entsorgungskosten für die Dose nicht die Verursacher zu tragen, sondern die Allgemeinheit. Erneut habe der Absatz von Dosenbier im vergangenen Jahr in der ganzen Republik drastisch zugenommen, in Bayern waren es 63 Prozent, nach einer über 85prozentigen Steigerung im Vorjahr. „Dabei benötigen Dosen dreimal soviel fossile Energie wie Flaschen, tragen fünfmal mehr zum Treibhauseffekt bei und werden nur zu einem Drittel wirklich recycelt“, kritisierte der ZAK-Vorsitzende und stellvertretende Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser. Das Allgäu, so betonte der Obmann der Allgäuer Brauereien in der Region, Michael Weiß (Meckatzer Löwenbräu), werde bundesweit zum Vorreiter gegen den „Umwelt- und Jobkiller Dose“, denn für jeden Arbeitsplatz in der Dosenherstellung würden fünf Arbeitsplätze in kleinen oder mittleren Brauereien gestrichen. Mit der Forderung nach einem Zwangspfand schlossen sich die Akteure auf dem Berggipfel einer mehrfach im Parlament eingebrachten Forderung der bayerischen Grünen an. Die hatten erst vor wenigen Tagen die Staatsregierung erneut aufgefordert, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu forcieren. Auf dem Anti-Dosen-Gipfel wurde angekündigt, mit weiteren Aktionen, wie einem „Dosenfänger von Kempten“ oder „Dosendetektiven und einem „Dosenquiz“, die Sensibilität in der Bevölkerung für das lange kaum beachtete Thema weiter schärfen zu wollen. Klaus Wittmann

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