: Tudjman verfehlt knapp sein Wahlziel
Die Regierungspartei HDZ erreicht im kroatischen Unterhaus vermutlich keine Zweidittelmehrheit. Im Ausland lebende Kroaten stimmen zu 79 Prozent für den Präsidenten ■ Aus Zagreb Erich Rathfelder
Noch waren am gestrigen Nachmittag nicht alle Stimmen ausgezählt. Und noch herrschte Unsicherheit, ob es der Regierungspartei nicht doch noch gelingen würde, eine Zweidrittelmehrheit im kroatischen Unterhaus zu erreichen. Doch mit den unerwarteten Wahlerfolgen oppositioneller Kanditaten bei der Direktwahl in acht bis neun von 28 Wahlkreisen war dies am frühen Nachmittag unwahrscheinlich geworden.
Im Gesamtergebnis konnte die „Kroatisch Demokratische Gemeinschaft“ (HDZ) von Präsident Franjo Tudjman gegenüber den Unterhauswahlen von 1992 zwar noch etwas zulegen. Sie erreichte am Sonntag etwas über 44,22 Prozent der Stimmen. Doch erwartet hatte sie weit mehr – vor allem vor dem Hintergrund der Rückeroberung des größten Teils der ehemals von Serben besetzten Gebiete im vergangenen August. Ergebnisse wie in den ehemals an der Frontlinie liegenden Wahlkreisen Karlovac (63 Prozent der Stimmen), Gospic (73 Prozent) und Zadar (63 Prozent) hatte sich die HDZ überall erhofft. Doch nur im östlichen Slawonien waren vergleichbare Zahlen herausgekommen.
Schon in der Hauptstadt Zagreb wurde es enger. Zwei der vier Wahlkreise dürften wohl an die Opposition, zwei an die Regierung gehen. Ihr höchstes Egebnis erzielte die Opposition in Porec in Istrien. Mit rund 80 Prozent der Stimmberechtigten gewann der Vertreter des IDS, einer istrischen Regionalpartei.
Doch nur 28 Sitze werden durch die Direktwahlen verteilt. 80 Sitze werden über Verhältniswahlrecht vergeben. Die HDZ kann mit ihren 44,22 Prozent die Mehrheit dieser Sitze beanspruchen. Das Wahlbündnis aus Bauernpartei, Istrischen Regionalisten, Christdemokraten und der kroatischen Volkspartei (HNS), das auf 18,58 Prozent gekommen ist, die Sozialliberalen, die noch vor drei Jahren die zweitstärkste Partei waren und jetzt lediglich 11,95 Prozent erhielten, sowie die Exkommunisten, die mit 9,08 Prozent der Stimmen positiv überraschten, werden zwar über ein Drittel aller dieser 80 Sitze erhalten. Mit den Stimmen der Auslandskroaten (zwölf Sitze) der Minderheiten (sieben bzw. acht) wird die Regierungspartei jedoch nur knapp unter dem selbst gesteckten Ziel bleiben.
Von den für die Wahl zugelassenen Kroaten im Ausland stimmten 79 Prozent für die Regierungspartei, neun Sitze fallen an die HDZ. Damit ist ein Kalkül der HDZ und Tudjmans aufgegangen: Noch gegen Ende der letzten Legislaturperiode wurde ein Gesetz durchgepaukt, das es den sogenannten Auslandskroaten ermöglicht, an den Wahlen in Kroatien teilzunehmen. Für kroatische Staatsbürger, die in anderen Ländern leben, wäre dies ein normaler Vorgang. Im Falle Bosniens argumentiert die Regierung in Sarajevo jedoch, es handele sich nicht um eine Diaspora, sondern bosnisch-herzegowinische Staatsbürger.
Geändert hat dies nichts. Tudjman und die HDZ konnten mit der Wahl sowohl die Stimmen der Westherzegowiner in Anspruch nehmen, als auch zeigen, daß eine Mehrheit dort den Anschluß an Kroatien will. Damit wird ein Sprengsatz an den Friedensprozeß in Bosnien-Herzegowina gelegt. Denn nach Artikel 1 des New Yorker Abkommens soll Bosnien- Herzegowina wieder hergestellt werden – als einheitlicher Staat.
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