Ausgekontert

■ Die RAI will ins Pay-TV-Geschäft einsteigen und könnte Berlusconi die italienischen Fußballrechte abspenstig machen

Der Knaller kam aus Florenz, von woher ihn nun wirklich niemand erwartet hatte: Plötzlich ist am italienischen Pay-TV-Markt wieder alles offen. Silvio Berlusconi, bisher einziger Anbieter, sah sich auch am Himmel – per Satellit – als Alleinherrscher. Doch nun bekommt er Konkurrenz, und nicht zu knapp. Mitmischen wird, ganz unvorhergesehen, auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen, die gute alte „Mamma RAI“.

Noch vor einem Jahr schien alles klar, und die öffentlichen Fernsehanstalten hatten sich damit abgefunden: Berlusconi würde nicht nur das Pay-TV, sondern auch noch die Filetstücke der Übertragungen absahnen. So sollten ab der Saison 1996/97 exklusiv sämtliche Fußballspiele der 1. und 2. Liga vom Pay-Fernsehen übertragen werden. Die fußballnärrischen Italiener würden dann heftig zur Kasse gebeten, erst über den Kauf von Decodern, dann über die Monatsgebühren.

Die Nation nahm's hin, und auch „Mamma RAI“: Schließlich saß in jenen Tagen, vor einem Jahr, Silvio Berlusconi selbst auf dem Sessel des Regierungschefs, und die für Lizenzen zuständige Post wurde von dem Neofaschisten Giuseppe Tatarella verwaltet, der zugleich stellvertretender Ministerpräsident war. Merkwürdigerweise regte sich aber auch nach der Aushebelung der Rechtsallianz und dem Verlust der berlusconischen Regierungsmacht nichts. Und so marschierte der Pay-TV-Monopolist unbekümmert voran, ließ seine Manager einen Pakt mit dem Chef der Profiliga, Luciano Nizzola, über die Ausstrahlungsrechte schließen. Und dann fuhr er noch einen finanziellen Erfolg ein: Mitte Oktober verhalfen ihm die Neokommunisten, mit denen zusammen er die Regierung stürzen wollte, zu einer saftigen Reduzierung der vorgesehehen 19 Prozent Mehrwertsteuer aufs Pay-TV auf nur 10 Prozent. Vergangene Woche trat Berlusconis Generalverweser fürs Fernsehen, Adriano Gallinari, vor die Presse und verkündete den Pakt mit der Fußballer-Liga.

Doch plötzlich erhob sich in Florenz einer, den der Mailänder Medienzar offenbar noch immer unterschätzt: Vittorio Cecchi Gori. Der Mann ist Filmproduzent wie Berlusconi, wenn auch etwas kleiner, aber er hat inzwischen zwei Fernsehsender gekauft, Videomusic und Telemontecarlo, die beide einen Großteil Italiens bestrahlen. Und er ist, wie Berlusconi, Eigner einer Fußballmannschaft, jener aus Florenz nämlich.

Cecchi Gori aktivierte innerhalb weniger Stunden gegen den Fußballer-Deal eine Reihe Kollegen, so die Präsidenten von AS und Lazio Rom, Neapel und Internazionale Mailand – und den Präsidenten des Gesamtvberbandes, Mattarese, dazu. Berlusconi war entsetzt – und noch entsetzter, als er bemerkete, daß auch die Regierung mit von der Partie war – deren Chef Lamberto Dini ist Florentiner wie Cecchi Gori. Jedenfalls sprach Postminister Agostino Gambino Cecchi Gori flugs einen Pay-TV-Kanal zu.

Da wachte auch Mamma RAI auf: Sie möchte nun, ganz gegen die bisherige Philosophie des „reinen Dienstes am Volk“, auch ins Pay-Geschäft einsteigen und wird kommende Woche ein Konkurrenzangebot an die Kicker-Liga machen. Die Genehmigung zu einem staatlichen Pay-TV-Sender kam prompt – einer oder gar zwei der acht geplanten Spartensender der RAI dürfen nun verschlüsselt gesendet werden. Dahinter vermutet Berluscioni nicht zu Unrecht die Linksdemokraten, die die Regierung stützen und denen Cecchi Gori nahesteht: Es ist ihre Rache dafür, daß Berlusconi während seiner Regierungszeit nahezu alle Linken aus der RAI vertrieben hat. Und auf sie geht wohl auch ein Regierungsdekret zurück, das Pay- TV-Anbietern untersagt, Decoder anzubieten, die nur ihre eigenen Programme entschlüsseln können – genau darauf aber hatte Berlusconi gesetzt, um seine Exklusivität zu zementieren (er wollte das Rupert-Kirch-System übernehmen).

Für Berlusconi wird es nun eng. Nicht nur wegen des geschäftlichen Verlustes, sondern auch weil er erneut als erfolglos vorgeführt wird: Mittlerweile haben auch die Neokommunisten umgedacht und unterstützen die Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent. Vor allem besorgt ihn, daß seine vor zwei Monaten an Land gezogenen neuen TV-Gesellschafter Kirch, Rupert und Waalid immer unruhiger werden, ob es mit dem versprochenen Gang an die Börse 1996 wirklich etwas wird. Das sieht angesichts der Mißerfolge Berlusconis derzeit sehr schlecht aus – unterbleibt die Börsenplazierung jedoch, haben die Teilhaber das Recht, ihre eigenen Aktien entweder wieder an Berlusconi zurückzugeben (dann wären über 2 Milliarden Mark fällig) – oder sie meistbietend zu verkaufen. Was das Ende der Berlusconi-Ära im eigenen Haus bedeuten würde. Werner Raith, Rom