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Neue Zerreißprobe bei Berlin-Werbern

■ „Partner für Berlin“ kommen nicht zur Ruhe. Nach Kritik an Chef Boddien scheidet Bereichsleiter aus

Heute will die Marketing-Gesellschaft „Partner für Berlin GmbH“ vom Regierenden Bürgermeister Diepgen endlich den neuen Berlin-Werbefilm absegnen lassen. Doch gestern kam es zum Filmriß: Der für den Sektor Wirtschaft zuständige Bereichsleiter Dieter Kampe wurde fristlos gekündigt, nachdem er zuvor sein Ausscheiden angekündigt hatte.

Er wolle „die unprofessionelle Führung des Unternehmens und die daraus resultierenden schlechten Arbeitsergebnisse“ nicht länger verantworten, teilte Kampe mit, der „grundsätzliche Differenzen“ mit Geschäftsführer Wilhelm von Boddien anführt. Er halte eine erfolgreiche Umsetzung des von ihm erarbeiteten Marketingkonzepts 1996 unter den gegenwärtigen Bedingungen und Personalkonstellationen nicht für möglich.

Bereits seit geraumer Zeit stehen die „Partner für Berlin“ in der öffentlichen Kritik. Im Juni wurde dem Marketingunternehmen angelastet, kein Konzept für die Vermarktung der Reichstagsverhüllung zu haben. Negativ ins Bild rückte dabei ausgerechnet Dieter Kampe, damals noch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Auf die Frage von Focus, ob es für das Christo-Ereignis Werbung gebe, antworte Kampe pampig: „Haben Sie welche gesehen? Nein? Na also.“ Interne Konsequenz: Kampe durfte sich fortan um den Wirtschaftsbereich kümmern.

Zielpunkt der Kritik war immer wieder Geschäftsführer Wilhelm von Boddien. Der ehemalige Hamburger Landmaschinenhändler, der, nach seiner erfolgreichen Schloß-Aktion mit viel Vorschußlorbeeren aufgewertet, an die Spitze der neugeschaffenen „Partner für Berlin“ gehievt wurde, schrumpfte alsbald auf Normalmaß. Griffige Konzepte und Ideen kamen nicht aus der Marketing- Schmiede, die das Profil der Stadt für Unternehmen und Touristen schärfen sollte. Nichts außer heißer Luft und Sprüchen, so wird auch in Senatskreisen über von Boddien geklagt. Bislang einziges Ergebnis: eine dümmliche Werbekampagne in der Stadt, bei der Taxifahrer, Müllmänner oder Boxer Optimismus und Aufbruchstimmung signalisieren sollten.

Schwierigkeiten bereitete teilweise die Koordination mit den anderen vier vom Land Berlin mit Unternehmens- und Touristenwerbung beauftragten Unternehmen. Hinzu kamen interne Schwierigkeiten bei den „Partnern“, deren Gesellschaftskapital jeweils zur Hälfte vom Land Berlin und von 30 Unternehmen gestellt wird. Darunter sind Konzerne wie Daimler-Benz, Lufthansa, Siemens und Deutsche Bahn AG. Obwohl jeder Partner sich verpflichtete, fünf Jahre lang jeweils 300.000 Mark in die Kasse zu tun, drückten sich einige Unternehmen vor der Zahlung. Gegen Geschäftsführer Boddien wird zudem auch wegen Steuerhinterziehung ermittelt, weil er bei den Zuwendungen der Unternehmen die Mehrwertsteuer in Höhe von rund 1,3 Millionen Mark nicht abführte.

Bei Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) sieht man keinen Grund zur Beunruhigung über die neuen Turbulenzen. Berlin spendierte zwar 13 Millionen Mark Gesellschaftskapital, hat aber in der Gesellschaft nichts zu sagen. „Das ist eine interne Auseinandersetzung in einer ganz privaten Unternehmung“, betont Wirtschaftssprecher Holger Hübner und lehnt jede Kommentierung ab.

Bei den „Partnern für Berlin“ sieht man sich trotz des neuerlichen Eklats deutlich vorangekommen. Ende des Monats werde das Marketingkonzept 96 vorgestellt. Es werde Schwerpunkte der Werbung für die Stadt und Vorschläge für ein Zusammenwirken mit den vier anderen Berlin-Werbe-Agenturen enthalten, teilte „Partner“- Sprecherin Petersen mit. Dann soll auch der neue Berlin-Film gezeigt werden, den heute die sogenannte Lenkungsgruppe begutachtet. Den Vorsitz hat der Regierende Bürgermeister. Der Film sollte schon vor Monaten fertig sein. Doch Diepgen stoppte damals das dilettantische Machwerk nach der Präsentation. Gerd Nowakowski

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