: Rheinaktionspro- gramm greift zu kurz
■ betr.: „Deutsche Chemie muß Rheinvergiftung bremsen“, taz vom 18./19. 11. 95
Durch mehr oder weniger sanften Druck ist es Rotterdam gelungen, die Schadstoff-Einleiter im Rheineinzugsgebiet zur schrittweisen Verringerung ihrer Schadstoffeinleitungen zu bewegen. Das erneute Zugeständnis des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) zur Minderung der Schadstoff-Fracht aus den deutschen Chemiefabriken ist ein erfreulicher Erfolg der Rotterdamer Dickbrettbohrerei.
Für den Rhein selbst sind die vom VCI zugesagten Emissionsminderungen aber nur ein bescheidener Erfolg. Die mit Rotterdam vereinbarten Schadstoffminderungen betreffen nämlich nur ein äußerst kleines Spektrum aus der Gesamtfracht problematischer Abwasserinhaltsstoffe. Auch das Rheinaktionsprogramm greift zu kurz, wenn es darum gehen soll, die Gesamtfracht an schwer abbaubaren Abwasserinhaltsstoffen zu vermindern. Denn das von den Rheinanliegerstaaten beschlossene Rheinaktionsprogramm erfaßt ebenfalls nur wenige Dutzend Schadstoffe. Bereits auf der 13. Arbeitstagung der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Rheinwasserwerke wurde 1991 dieses Stückwerk europäischer Gewässerschutzpolitik kritisiert: Durch die „prioritären Stoffe“ des Rheinaktionsprogramms würden allenfalls 0,02 Prozent der organischen Belastung des Rheins erfaßt. „Aus der Sicht der Trinkwassergewinnung sind jedoch gerade die restlichen 99,98 Prozent der organischen Belastung interessant.“
Bei der jetzt anstehenden Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes war ursprünglich vorgesehen gewesen, erstmals tatsächlich die Gesamtfracht problematischer Abwasserinhaltsstoffe schärfer als bislang einzuschränken. Unter dem Sperrfeuer der Lobbyisten aus Industrie und Kommunen ist das Umweltministerium jetzt drauf und dran, dieses Vorhaben aufzugeben. Die Umweltministerin Angela Merkel begnügt sich offenbar wiederum damit, nur kleine Brötchen backen zu dürfen.
Auch künftig soll die Wasserwirtschaftsverwaltung lediglich ein Prozent der Gesamtfracht problematischer Abwasserinhaltsstoffe nach dem scharfen „Stand der Technik“ einschränken dürfen. Die restlichen 99 Prozent werden weiterhin durch die Maschen des Wasserhaushaltsgesetzes fallen. Angesichts der Bonner Gewässerschutzpolitik kann der VCI mit seinen Rotterdamer Vertragspartnern vergnügt das Glas zum Wohle des Rheins erheben: Was unternimmt man nicht alles, um ein Prozent seiner Abwasserfracht zu verringern, wenn man dafür bei den restlichen 99 Prozent weitgehend unbehelligt bleibt. Nikolaus Geiler, BBU e.V.,
Freiburg
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