: Teure Verschlankung
■ Das Kindergeld gibt's bald vom Arbeitgeber – aber was die Behörden entlasten sollte, kann sich als teure Posse entpuppen
Berlin (taz) – Ab Januar gibt es 200 Mark für das erste und zweite Kind – und das Geld soll erstmals direkt mit dem Gehalt zusammen vom Arbeitgeber ausgezahlt werden. Damit will die Bundesregierung Verwaltungsabläufe vereinfachen. Doch ob die Neuregelung tatsächlich Geld spart, ist inzwischen mehr als fraglich. Ein großer Teil der Beschäftigten wird das Kindergeld möglicherweise nach wie vor vom Arbeitsamt beziehen. Und die Firmen wollen staatliche Zuschüsse für den Mehraufwand.
Gemäß der Neuordnung müssen vom 1. Januar an nicht mehr die Arbeitsämter, sondern im Regelfall die Unternehmen das Kindergeld auszahlen. Die Firmen ziehen die Beträge dann wiederum von der Lohnsteuer ab, die sie ans Finanzamt überweisen. Dafür müssen die Unternehmen ihre EDV-Programme umstellen.
„Da kommt ein erheblicher Mehraufwand auf uns zu“, erklärt Siemens-Sprecher Martin Siebert. Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) beklagte sogar monatliche Mehrkosten für die Firmen „in vier bis fünfstelliger Höhe“. Ein Unternehmen mit 5.000 Arbeitnehmern werde durch die Neuregelung jedes Jahr zusätzlich mit 120.000 Mark belastet, erklärte der DIHT. Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann forderte in einem Schreiben an Finanzminister Theo Waigel schon eine „angemessene Vergütung“ für den neuen bürokratischen Aufwand.
Was Unternehmen als Mehrbelastung beklagen, führt kaum zu entsprechender Erleichterung bei den Arbeitsämtern. „Die Umstellung macht uns eine Heidenarbeit“, so Roland Schütz, Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Nürnberg.
Ausnahme wird zur Regel
Denn Firmen mit weniger als 50 Beschäftigten können sich von der Auszahlung befreien lassen. Das sind immerhin 96 Prozent aller vom Arbeitsamt angeschriebenen Unternehmen. Mehr als 40 Prozent aller Beschäftigten sind in diesen kleinen Firmen angestellt. Hunderttausende dieser Betriebe stellten schon entsprechende Befreiungsanträge. Die Kindergeld- überweisung läuft dann nach wie vor über die Arbeitsämter.
Deren Sachbearbeiter stöhnen derweil über den postalischen Aufwand der Neuerung: 1,8 Millionen Betriebe und 8,1 Millionen KindergeldempfängerInnen wurden angeschrieben und über die Änderung informiert. Die Väter oder Mütter erhalten dann entweder eine Kindergeldbescheinigung für den Arbeitgeber, oder aber sie beziehen das Geld nach wie vor vom Arbeitsamt. Allein an Porto wird die Neuregelung so Millionen von Mark kosten.
„Bei der Verarbeitung macht es keinen großen Unterschied, ob die Leute eine Bescheinigung kriegen oder wir Überweisungsanträge ausfüllen“, sagt Schütz. Für die Optik auf dem Gehaltsstreifen aber doch: Bei KindergeldempfängerInnen via Arbeitsamt sieht das Nettogehalt erst mal nach weniger aus. Die bisher auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Kinderfreibeträge entfallen nämlich von Januar an. Wer das Kindergeld vom Arbeitsamt bekommt, erhält damit erst einmal ein geringeres Nettogehalt als zuvor, was durch das Kindergeld dann mehr als ausgeglichen wird. Bei den Kollegen in den großen Firmen dagegen erscheint der staatliche Zuschuß für den Nachwuchs schon auf dem Gehaltsstreifen.„Über diese Zweiteilung sind wir alles andere als glücklich“, heißt es denn auch in Kreisen der SPD-Fraktion. Die SPD mußte der aufwendigen Ausnahmeregelung für die kleinen Unternehmen im Vermittlungsausschuß zustimmen. Und es gibt noch weitere Ausnahmen: Wer gut verdient, kann beim Einkommenssteuerjahresausgleich doch lieber einen Kinderfreibetrag von 6.264 Mark bei der Steuerschuld geltend machen. Das bereits erhaltene Kindergeld wird dann damit verrechnet. Barbara Dribbusch
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