: Telearbeitsplätze selbstkritisch hinterfragen
■ betr.: „Beam me up, Scotty“, Öko lumne, taz vom 2./3. 12. 95
Thomas Worm erweist der Telematik-Kritik einen Bärendienst. Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Stoff- und Warenströme durch moderne Kommunkationsmittel (statt einer Senkung, wie oft argumentiert) behauptet Worm, daß durch die Telematik zum Beispiel neu Großstaudämme gebaut und mehr Gartenscheren verkauft würden. Das ist absurd. Großstaudämme werden auch ohne die Videokonferenzen gebaut. Großstaudämme werden lediglich anders geplant und beschlossen, nämlich in Sitzungen bei persönlicher Anwesenheit der Beteiligten. Und Gartenscheren werden auch nicht deshalb häufiger gekauft, weil sie jetzt per Homeshopping angeboten werden, sondern weil Otto Normalgärtner eine solche Gartenschere haben will. Das Maß der Konsumbefriedigung insgesamt hängt nicht wesentlich von der Art der Angebotsrepräsentation ab, sondern letztlich von der Kaufkraft (und vielleicht noch vom mehr oder weniger sicher ausgeprägten Gefühl dafür, was ich brauche und was nicht).
Auch die Argumentation im Falle der Tele-Arbeitsplätze scheint mir nicht stichhaltig. Firmen stellen die Arbeitsplatz-Infrastruktur für ihre Mitarbeiter nicht doppelt bereit, damit diese zwei Tage in der Firma und drei Tage zuhause arbeiten können. Das wäre ja gerade dem hinderlich, was die Firmen mit Telearbeit bezwecken: nämlich Geld zu sparen durch den Abbau der Infrastruktur (Büro- und Sozialräume etc.) und der Sozialleistungen. Daß man Tele- Arbeitsplätze kritisch hinterfragen sollte, steht auf einem anderen Blatt: Sie führen zur sozialen Isolation der Heimarbeiter. Und deswegen hätte sich Thomas Worm besser auf die Argumentation im zweiten Teil seiner Ökolumne beschränkt: daß die Telematik-Techniken zwar den Berufsverkehr reduzieren, aber vermutlich einen verstärkten Freizeitverkehr provozieren. Denn die Heimarbeiter kompensieren so ihre verringerten sozialen Kontakte im Berufsleben. Das spielt sich ja nun vornehmlich vor dem heimischen PC ab. Ein weiterer Grund für gesteigerte Rohstoff- und Warenströme könnten der notwendige Aufbau der telematischen Infrastruktur und die regelmäßige Erneuerung der Hardware sein. Die wird ja alle paar Jahre als veraltet eingestuft und nicht mehr modernen Ansprüchen genügend. Wolfgang Merkel, Berlin
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