: „Eine Interessenspolitik der Großindustrie“
■ Interview mit Sebastian Priller, dem Chef der Augsburger Riegele-Brauerei
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat eine Kampagne gegen die Diskriminierung der Getränkedose gestartet. Wir haben den Chef der Augsburger Riegele-Brauerei, Diplom- Braumeister Dr. Sebastian Priller, gefragt, was er von der Kampagne hält. Priller ist im übrigen auch Vorstandsmitglied der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Schwaben und Augsburg.
taz: Herr Priller, der BDI hält die Dose für unschuldig am Brauereiensterben. Auch seien die Dosen keineswegs die Landschafts- und Umweltverschmutzer, für die sie mittelständische Brauereien halten. Haben Sie sich in Ihrer Einschätzung getäuscht?
Priller: Ganz und gar nicht. Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich lese, was der Vorsitzende des Umweltausschusses des BDI, Herr Rainer Grohe, da schreibt. Man darf doch nicht vergessen, daß dieser Mann auch Vorstandsmitglied der VIAG ist, eines Großkonzerns, der zu den größten Dosenherstellern Europas gehört. So jemand kann doch nicht gleichzeitig Umweltbeauftragter eines Verbandes sein. Da wird doch eine Interessenspolitik der Großindustrie betrieben.
Nun sind Sie Marktwirtschaftler und haben sich immer für die Selbstregulierung des Marktes stark gemacht. Wie kann es dann angehen, daß sie plötzlich staatliche Eingriffe wie Dosenpfand und ähnliches befürworten?
Schauen Sie, die ganz erheblichen Umweltkosten, die die Dose verursacht, werden der Allgemeinheit aufgebürdet. Wer zahlt denn für die Entsorgung, wer zahlt für die Verschandelung der Umwelt durch leere Bierdosen? Die Dose trägt fünfmal so stark zum Treibhauseffekt bei wie die Glasmehrwegflasche, die 50mal wiederbefüllt wird. Es wäre doch ausgesprochen marktwirtschaftlich, diese Kosten dem Verursacher, also dem Dosenhersteller und -abfüller anzulasten. Daher bin ich absolut für ein Zwangspfand auf die Dose und für die Umlegung der Umweltkosten. Außerdem werden von den Dosenabfüllern Dumpingpreise gemacht, um die Flasche und damit die kleinen und mittelständischen Brauereien zu verdrängen. So kann und darf doch Marktwirtschaft auch nicht funktionieren.
Herr Grohe von BDI und VIAG sagt, man mache die Dose zu Unrecht für die Verschmutzung der Landschaft verantwortlich.
Das ist doch Unsinn. Gehen Sie doch mal in die Berge und schauen Sie, wieviel Dosen dort in der Landschaft liegen. Erst dieser Tage sagte mir der Augsburger Alpenvereinsvorsitzende, er wird sich der Anti-Dosen-Kampagne anschließen, weil es so nicht weitergehen dürfe. Außerdem – vergessen Sie nicht, daß das Fraunhoferinstitut im Auftrag des Umweltbundesamtes in seinem Gutachten zu der Schlußfolgerung gekommen ist, die Mehrwegflasche sei in allen untersuchten Parametern der Dose weit voraus, und dies bis zu einer Transportentfernung von 1.000 Kilometern! Außerdem hat der Bund Naturschutz festgestellt, daß bei der Dose elfmal soviel Abfall entsteht wie bei der Mehrwegflasche, bei der Produktion von Weißblech zehnmal soviel Dioxine wie bei der Verbrennung einer Tonne Müll entstehen und viermal soviel CO2 wie bei der Mehrwegflasche. Wer da von umweltfreundlich spricht, ignoriert diese Fakten.
Die CSU-Mehrheit im Bayrischen Landtag hat kürzlich einen Antrag der Grünen abgelehnt, sich im Bundesrat für die Erhebung von Dosenpfand einzusetzen. Was sagen Sie dazu?
Ich bin enttäuscht. Deshalb haben die mittelständischen Brauer im Bayerischen Brauerbund ja auch beschlossen, ihre Abgeordneten anzuschreiben und sie aufzufordern, für ein Dosenpfand zu stimmen. Jeder Brauer soll zehn Kollegen anschreiben und die wiederum sollen dann ihre Abgeordneten auf Trab bringen. Interview: Klaus Wittmann
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