: Ernstfall am Strand
■ Die ersten deutschen Soldaten der Nato-Truppe für Bosnien landen in einem früheren Touristenparadies. Von Krieg keine Spur
Trogir (taz) – Lächelnd steigen sie aus dem Flugzeug. Über 170 deutsche Soldaten stehen vor ihrer Transall-Maschine und schauen etwas unsicher um sich. Sind sie nun im Kriegsgebiet? Um sie herum erstreckt sich eines der schönsten Küstengebiete des Mittelmeers.
Die kroatische Stadt Trogir, wo der Flughafen liegt, enthält nicht nur den Stützpunkt des „Deutsch- französischen Feldlazaretts“, das mit seinen 502 Sanitätern, Ärzten und Transportmannschaften schon seit dem 15. August einsatzbereit ist. Sie bietet auch eine mittelalterlich-venezianische Traumkulisse. Ob die deutschen Soldaten einen bewußten Blick auf das berühmte romanische Radovan-Portal aus dem 13. Jahrhundert werfen werden? Die zahlreichen Kneipen und Cafés werden schon längst von der Sanitätseinheit fleißig genutzt. Hier gibt es keine Gefahr.
2.600 Landstreitkräfte wird Deutschland an der dalmatinischen Küste stationieren. Am Mittwoch begab sich die wundersame Wandlung der deutsch-französischen UN-Einheit des Feldlazaretts mit dem etwas ungelenken Namen „Geconunpf“ in eine „Geconifor“-Einheit der Nato-Truppe IFOR „Implementation Force“: Reibungslos wurden die blauen UNO-Barette gegen die Feldmützen der Bundeswehr getauscht. Gestern nun traf das Vorauskommando der Haupttruppe ein. Weitere 1.400 Mann werden von der Marine auf der Adria und von der Luftwaffe in Italien eingesetzt.
Hier steigen keine Rambotypen aus dem Flugzeug. Es sind Freiwillige mit einem Schuß Abenteurerblut. Harald Vanis gehört zum Bodenpersonal der Heeresflieger. Der Berufssoldat ist sich der Risiken bewußt, die der Einsatz für ihn persönlich bedeuten könnte, zumal ja schon am Donnerstag bei der Marine das erste Opfer zu beklagen war. „Wir wollen beitragen zum Frieden. Das ist ein positives Ziel, für das ich auch mit meinem Leben einzustehen bereit bin.“
Seine Einheit kommt nach Zadar, auf ein Gelände der kroatischen Armee. 17 Hubschrauber werden die Deutschen hier stationieren, die vor allem die britischen Soldaten in Bosnien mit Lebensmitteln versorgen werden. „Wir sind eine Versorgungseinheit“, sagt Vanis. Das schöne Zadar wurde wie das weiter südlich gelegene Sibenik von 1991 bis zum vergangenen Sommer immer wieder von serbischer Artillerie beschossen. Die Sandsäcke vor den Kirchenportalen sind zwar weggeräumt, die Einschußlöcher an vielen Gebäuden zeugen jedoch noch vom Krieg.
Auch in Sibenik sind deutsche Soldaten stationiert. Die Pioniere kommen in eine Kaserne ins Hinterland, nach Bekovac. Von dort aus werden sie zum Straßenbau und der Räumung von Minen auch nach Bosnien geschickt. Auf dem weitläufigen Gelände des Campingplatzes des zwischen Trogir und Sibenik gelegenen Primosten wird das deutsche Hauptquartier entstehen.
Rund 700 Millionen Mark sollen sich die Kosten für die 4.000 Mann für ein Jahr belaufen. An Miete für die Kasernengelände allein muß eine Million DM täglich auf den Tisch gelegt werden, schätzt ein Mitarbeiter des Pressebüros. „Doch trotz der Kosten werden wir auf eines sicher nicht verzichten: auf die Weihnachtsbäume.“ Die kommen aus Deutschland. Erich Rathfelder
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