Abschied vom Dobben

■ Fast zehn Jahre war die Bremer taz-Redaktion „Am Dobben“ zu Hause / Abschied von der Nähe zum Sielwall, von Frau Plonska (Tengelmann) und der Eisdiele von „Aldo“

Wie das kam, daß wir vom ersten Tage des taz-Lebens Am Dobben an täglich vier Seiten vollbekommen haben, das weiß heute eigentlich niemand mehr so richtig. Tatsache ist: die Bremer taz kam damals mit einem Drittel weniger Bürofläche aus, und auch die war nicht vollgestopft mit Schreibtischen, sondern bot genügend Raum für das alte, durchgesessene rote Sofa, das unsere Fotografin Katja Heddinga „gestiftet“ hatte. Daß da auch deutlich weniger Personen auf der Lohnliste standen, versteht sich von selbst.

Anzeigen-Abteilung? Gab es nicht. Der Akquisiteur arbeitete „von zuhause“ aus oder von irgendwo, er war schon mangels Schreibtisch und geheiztem Büro auf „streetworking“ verwiesen. Einen Warteraum für die AusträgerInnen, die Nacht für Nacht ihre olympia-verdächtigen Fahrrad-Ralleys durch die Straßen fahren, bei Schnee und Eis und Regenwetter – kein Denken daran. Eine zugige Garageneinfahrt mit einem Schrank, abschließbar immerhin, mußte ausreichen. Wenn damals ein Fremder die Frage aufgeworfen hätte, ob die taz-Redaktion sich nicht eine Espresso-Maschine leisten sollte – er hätte in sechs paar ungläubige Augen geguckt. Die ausrangierten Schreibtischstühle, die zu der großen Ehre kamen, als Rückstoß-Fläche bei der Produktion leibhaftiger taz-Buchstaben zu dienen, hatten nur vier Rollen, das Gewerbeaufsichtsamt schien die Gründung des neuen Zeitungs-Büros zum Glück zu ignorieren. Der alternative Kokos-Flechtbodenbelag hätte sich aber auch unter 5 Rädern schnell gewellt.

Und doch war es ein Glück, daß es die taz damals an den Dobben verschlagen hatte. Da war der Umzug des Holz-Archivschranks aus dem früheren Korrespondentenbüro Ostendorpstraße per Handwagen möglich. Am Dobben – das war weit genug weg vom Sielwall-Ecke; kein einziges Mal klirrten bei der taz die Scheiben. Es war aber gleichzeitig fußläufig nah genug am Viertel, so daß die Protest-Erklärungen und Lesebriefe meist persönlich übergeben werden konnten. Wahrscheinlich haben diejenigen, die dann da inmitten umherschwirrender Redakteure standen und wenig höflich umsorgt wurden, hin und wieder das Gefühl gehabt, sie seien nicht willkommen – das wäre vollkommen falsch. Nichts ist so befriedigend als diejenigen, für die man Zeitung macht, vor Augen zu haben, auch wenn Lob selten zu LeserInnen-Reaktionen führt, Kritik um so lautstärker. Die meisten unserer BesucherInnen haben verstanden, daß spätnachmittags, wenn sie nach getaner Arbeit so richtig Zeit und Lust auf ein Pläuschchen haben, für Zeitungsleute der alltägliche count-down zum Redaktionsschluß gerade beginnt.

Der Dobben ist einerseits Durchgangsstraße, sozusagen der direkte Weg aus Schwachhausen zur Sielwall-Fähre, aber eine mit Vorstadt-Charme. Kaum jemand kennt die heimlichen Süßigkeiten-Leidenschaften so gut wie Frau Plonska von der Kasse bei Tengelmann. Früher, als der taz-Tag noch 18 Stunden hatte, gehörten die letzen regelmäßig „Anni“, der Wirtin der 12-Quadratmeter-Pinte nebenan. Wenn Aldo, unsere italienische Eisbar von schräg gegenüber von uns, einen über drei Wochen nicht gesehen hatte, dann war für ihn klar: Der ist in Urlaub. Entsprechend die Begrüßung beim Wiedersehen. Und überhaupt die Kundschaft vom Wiechernhaus des Diakonischen Werkes fünf Hausnummern nebenan, das für die taz-KollegInnen einige Jahre mittags das Zuhause ersetzte. Irgendwie war es eine große Familie da am Dobben, und schließlich hatten sogar unsere lieben Mitbewohner im Haus sich damit abgefunden, daß zig Leute ein- und ausgingen und die schwere Haustür auch nachts klappte – oder schlicht offenstand, wenn die multikulturelle Träger-Gemeinschaft an flauen Sommerabenden auf der Treppe auf die Lieferung aus der Druckerei wartete...

Wir werden Dich vermissen, Du unser Dobben! K.W.