■ Libanesische Hisbollah bringt sich nachhaltig in Erinnerung
: Taktische Scharmützel

War das nur ein kräftiger Warnschuß oder mehr, ein massives Störfeuer vielleicht? Passend zum Abschluß der ersten Runde der syrisch-israelischen Friedensgespräche brachte sich die proiranische Hisbollah in der Nacht zum Samstag in unüberhörbare Erinnerung. Mehr als zwanzig Katjuscha-Raketen schlugen im Norden Israels ein und richteten dort erhebliche Schäden an. Bei einem weiteren Angriff wurden drei israelische Soldaten verletzt.

Die bleihaltige Botschaft galt Syrien und Israel gleichermaßen. Für beide kamen die Angriffe zur Unzeit. Weder Syrien noch Israel hat gegenwärtig Interesse an einer militärischen Eskalation. Für die Friedensverhandlungen, deren Auftakt als vielversprechend charakterisiert worden ist, wäre das kontraproduktiv. An deren Ernsthaftigkeit aber haben beide Seiten keinen Zweifel gelassen. Taktische Scharmützel sind damit jedoch nicht ausgeschlossen.

Die Vorhaltungen des israelischen Botschafters in Washington, Syrien treibe „ein doppeltes Spiel“, sind ebenso wie die Androhung von massiven Vergeltungsschlägen vor allem dazu gedacht, Syrien unter Druck zu setzen. Es soll jetzt endlich die militärische Handlungsfreiheit der proiranischen Miliz im Libanon wirksam einschränken. Wohl nicht ganz zufällig verlangte das auch der US-amerikanische Außenminister in einem Telefonat von seinem syrischen Kollegen.

Das syrische Dilemma aber ist – angesichts von 40.000 Soldaten im Libanon – weniger militärischer als vielmehr politischer Natur. Vor einem definitiven Friedensschluß mit Israel und der Rückgabe des Golan kann und will Syrien nicht auf die für es nützlichen Dienste der Hisbollah verzichten. Schließlich ist sie die einzige arabische Guerillatruppe, die der israelischen Armee noch spürbare Verluste beibringen kann. Und ohne wirkliche Aussicht auf einen israelischen Abzug aus der seit 1978 von Israel beanspruchten „Sicherheitszone“ im Libanon kann und will sich die syrische Regierung auch nicht gegen den populären „libanesischen Widerstand“ im Süden stellen.

Zum Frieden zwischen Syrien und Israel gehören eben auch greifbare Ergebnisse für den Libanon. Daran hat Hisbollah erinnert. Aus dem Warnschuß kann jederzeit ein Störfeuer werden. Georg Baltissen