Jugendämter in der Pflicht
: „Das Wohl des Kindes geht immer vor“

■ 25 Prozent der 3.000 Berliner Pflegekinder wachsen in der Pflegestelle auf

Rund 3.000 Berliner Kinder und Jugendliche leben in Pflegefamilien. Sie kommen größtenteils aus sogenannten „Multiproblemfamilien“, berichtet der Referent für Erziehungshilfen bei der Senatsjugendverwaltung, Peter Widemann. Oftmals seien ihre leiblichen Eltern alkohol- oder opiatabhängig, psychisch krank oder obdachlos. „Die Armut spielt häufig eine große Rolle“, so Widemann.

Die meisten Kinder bleiben ein Jahr und länger in den Pflegefamilien. 25 Prozent, also jedes dritte bis vierte Kind, wachsen in der Pflegestelle auf. „Nach spätestens zwei Jahren sollte bei kleinen Kindern der Verbleib geregelt sein.“ Pflegeeltern, Jugendamt und leibliche Eltern schließen einen Pflegevertrag, der aber von allen Parteien gekündigt werden kann. Trotzdem kann eine leibliche Mutter ihr Kind nicht ohne weiteres aus einer Pflegestelle herausholen, wenn es dort schon lange war und die vom Jugendamt beauftragten Gutachter anderer Auffassung sind. Im Zweifelsfall entscheidet das Gericht, das eine Verbleibensanordnung in der Pflegefamilie erlassen kann.

„Der Richter“, so Widemann, „muß die Bindungen des Kindes prüfen. Das Wohl des Kindes geht vor.“ Es habe sich die höchstrichterliche Rechtsprechung durchgesetzt, daß ein kleines Kind, das seit mehreren Jahren in einer Pflegestelle ist, dort nicht mehr herausgenommen werden solle. Aber auch bei dieser Frage gibt es die Vertreter zweier Linien. Die Anhänger der „familiensystemischen“ Sicht meinen, daß ein Kind eigentlich in seine Herkunftsfamilie gehöre. Die Vertreter der „familientherapeutischen“ Sicht, zu denen Widemann gehört, fordern eine schnelle Klärung im Interesse des Kindes, weil die Bindungen kleiner Kinder Zuverlässigkeit haben müssen. Denn die Ursache für die Beziehungsstörungen vieler Menschen seien Beziehungsabbrüche in ihrer Kindheit. Auf den oben beschriebenen Fall angesprochen, befand Widemann ganz allgemein: „Man muß dem Kind die Öffnung zwischen Pflegeeltern und leiblichen Etern völlig erhalten.“ Das Jugendamt sei regelrecht dazu verpflichtet, für eine gute Kooperation sämtlicher Elternteile zu sorgen.

Nach Angaben der Landesdrogenbeauftragten Elfriede Koller haben von den geschätzten 7.000 bis 8.000 Opiatabhängigen in Berlin 35 Prozent Kinder. Bei den Behörden sei die Akzeptanz von Drogenabhängigen viel geringer als die von Alkoholabhängigen. „Einer Junkie-Mutter wird das Kind in der Regel schneller weggenommen.“ plu