Wahnsinn als Getöse

■ Altonaer Theater: Gogols „Tagebuch eines Wahnsinnigen“

Wahnsinn, der aus Einsamkeit entsteht. Aus dem Streben nach Anerkennung, aus der Geringschätzung durch andere. Wahnsinn auf der Suche nach Sinn in der Monotonie des Alltags. Wahnsinn auch aus Liebe, aber vor allem aus der eigenen Gedankenwelt heraus.

In seiner Erzählung Tagebuch eines Wahnsinnigen macht Nicolai Gogol niemanden für die Verwirrung des Petersburger Beamten Axéntij Iwánowitsch verantwortlich. Der ist sich zu Beginn des Tagebuchs seiner Verfassung selbst bewußt: „Ich fange an, seit einiger Zeit Dinge zu sehen, die bis jetzt noch kein Mensch gesehen oder gehört hat.“ Viele dieser „Dinge“ sieht Iwánowitsch mit Humor. Am „43. April 2000“ allerdings stellt er fest, König von Spanien zu sein. Bis zum „Da 34 tum Mon. Irahes. 349 Februar“ ist seine Entwicklung dann nur noch leidvoll. Eingesperrt und mißhandelt in einer Anstalt, sehnt der 42jährige sich zurück in die Kindheit, zur Mutter.

Die Foyerbühne des Altoner Theaters, auf der Klaus Falkhausen den Monolog aufführt, ist kärglich gestaltet: Ein Bett, ein Schreibpult, ein paar Gitterwände, zunächst an die Wand gelehnt. Nach und nach baut der Darsteller sich und seine Gedanken damit zu. Auch die Beleuchtungstechnik und das Kostüm geben wenig her. So muß Falkhausen ungeschminkt, mal im Nachthemd, mal im Mantel oder nackt aus eigener Kraft dem Wahnsinn Ausdruck geben.

Er tut das mit Hingabe, Verzweiflung und Verbissenheit, wie es die Vorlage verlangt. Und er ist lustig, wenn er als Iwánowitsch über sich selbst lacht oder das reizende Töchterlein des Herrn Direktor imitiert. Aus seinem Blick sprühen Frechheit und Irrsinn gleichermaßen. Doch Regisseur Norbert Laubacher ist das nicht genug: Er läßt den Schauspieler toben, schluchzen, den Kopf aufs Pult schlagen und in Wasser tauchen.

Die Aufführung gerät so etwas arg pathetisch, widerspricht damit dem Kleingeist des Dargestellten. Dabei hätte Klaus Falkhausen es sicher geschafft, sein Publikum mit weniger Getöse zu fesseln. Wahnsinn herrscht auch in der Stille.

Nele-Marie Brüdgam