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„Nicht in Panik geraten“

■ Der Sprecher der Viertel-Kaufleute, Norbert Caesar, zur Verkehrsberuhigung

Der Streit um die Viertel-Verkehrsberuhigung tobt weiter. Bausenator Bernt Schulte denkt aber nach Aussage seines Sprechers Klaus-Dieter Sagebiel nicht daran, die Sperrung schon im Februar wieder aufzuheben. Ein solcher Versuch brauche „eine längere Anlaufphase“. Sagebiel: „Niemand will, daß der Ostertorsteinweg wieder ganz dem Autoverkehr übergeben wird“. Man müsse aber in Abstimmung mit den Beiräten reagieren, um Härten für die Geschäftsleute zu vermeiden.

Die Handelskammer hat gestern „mit allem Nachdruck“ gefordert, den Straßenzug für den Autoverkehr „umgehend wieder freizugeben und dieses verfehlte Experiment rot-grüner Verkehrspolitik zu beerdigen“.

Das Schweigen der SPD zu der aktuellen Auseinandersetzung hat der grüne Fraktionssprecher Dieter Mützelburg gestern moniert: „Wollen die Sozialdemokraten ein Projekt, das unter ihrer Federführung geplant wurde, stillschweigend begraben?“

Norbert Caesar ist Inhaber eines Haushaltswaren-Geschäftes am Ostertorsteinweg und Sprecher der Kaufleute-Initiative „Das Viertel“.

taz: An ihrem Geschäft ist in den vergangenen Tagen mehrmals die Fassade beschmiert worden. Jetzt wurde auch noch eine Schaufensterscheibe eingeworfen. Können Sie sich vorstellen, von wem und warum das passiert?

Norbert Caesar: Das kann ich mir nur eingeschränkt vorstellen. Es kann sein, daß das von einer Gruppe kommt, die die Gentrification des Viertels – wie man die Verschönerung auf Neudeutsch nennt – bekämpft. Womöglich sollen die Befürworter der Verkehrsberuhigung damit zur Verantwortung gezogen werden.

Wenn das so wäre, würde es allerdings den Falschen treffen. Denn die Geschäftsleute sind doch von Anfang an Gegner einer Fußgängerzone gewesen.

Sie fühlen sich für etwas angegriffen, womit sie gar nichts zu tun haben?

So ist es. Wir haben die Fußgängerzone, wie sie sich im Augenblick darstellt, seit Jahren versucht zu verhindern. Das lebendige Viertel, das ja aus vielen verschiedenen Einzelgruppen besteht, darf keinesfalls bereinigt werden. An der Lebendigkeit des Viertels haben wir ja nicht zuletzt auch aus geschäftlichen Gründen das größte Interesse.

In der Öffentlichkeit sind im Moment viele Klagen von Geschäftsleuten zu hören, sie hätten durch die Verkehrsberuhigung hohe Umsatzeinbußen. Gibt es da auch andere Stimmen?

Einig sind sich alle, daß die Verkehrsberuhigung die Aufenthaltsqualität im Viertel nicht verbessert hat. Es ist sehr viel langweiliger und in den Abendstunden auch toter geworden. Die Umsatzentwicklung ist aber sehr uneinheitlich und nach 14 Tagen natürlich auch nur sehr schwer festzustellen. Da spielen viele Dinge eine Rolle, nicht nur die Verkehrsberuhigung.

Ist es nicht auch ein Versäumnis der Kaufleute, daß sie die Vorteile der Verkehrsberuhigung bis jetzt nicht genutzt haben?

Wir haben mit dem Marketingkonzept seit Jahren versucht, auf diese Situation hinzuarbeiten. Wir haben das Menschenmögliche getan.

Die Geschäfte könnten doch Leben auf die Straße bringen.

Das geht aus zwei Gründen nicht. Zum einen gibt es rigide Verbote des Stadtamtes, Schilder weiter als einen Meter von der Hauswand entfernt aufzustellen. Zum anderen können Sie im Januar keine Aktionen auf der Straße machen. Da ist es einfach zu kalt.

Daß heißt, Sie wollen mit einem endgültigen Urteil über die Verkehrsberuhigung bis zum Frühjahr warten?

Wir müssen uns kurzfristig einen Überblick über die finanzielle Entwicklung der einzelnen Betriebe verschaffen. Und dann müssen wir entscheiden, wie es weitergehen soll. Es hat wenig Zweck, Durchhalteparolen auszugeben, wenn dabei Betriebe über den Deister gehen. Aber es hat auch genausowenig Zweck, in Panik zu geraten und die Uhr auf vorgestern zurückzustellen. Fragen: Dirk Asendorpf

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