Hoechst nicht mehr eiskalt

■ Chemiekonzern will Fluorchemikalien-Sparte an die belgische Solvay verkaufen. Produktion des FCKW-Nachfolgeprodukts R134a soll dort verdoppelt werden

Frankfurt-Main/Berlin (AFP/ taz) – Die Hoechst AG speckt weiter ab. Der Frankfurter Chemiekonzern will sich in den nächsten zwei Monaten von seinem Geschäftsbereich Kältetechnik und Fluorchemikalien trennen. Wie das Unternehmen gestern mitteilte, hat die belgische Solvay- Gruppe bis zum 31. März das Vorverkaufsrecht erhalten. Hoechst hatte vergangenes Jahr schon die Kosmetiksparte verkauft.

Bereits bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren hatte der neue Vorstandsvorsitzende Jürgen Dormann überlegt, sich aus der Kältetechnik zurückzuziehen. Im vergangenen Jahr hatten die Frankfurter rund 113 Millionen Mark Umsatz mit Fluorchemikalien gemacht. Das ist Dormann zu wenig. In Deutschland halte das Unternehmen zwar einen Marktanteil von 40 Prozent, teilte Pressesprecherin Ursula Tober mit. In Europa seien es gerade noch 15 Prozent. Und weltweit könne Hoechst überhaupt nicht mithalten. Die stärksten Wettbewerber sind der amerikanische Chemieriese DuPont und die französische Elf Atochem.

Nach Gesprächen mit einigen Unternehmen blieb als Hauptinteressent für die Kältesparte Solvay übrig. Vor zwei Wochen hatte Hoechst erstmals mit den Belgiern geredet. In den nächsten Wochen prüfen und bewerten deren Buchhalter die Bilanzen in Frankfurt. „Die Chancen, daß wir übernehmen, sind sehr gut“, sagte Joachim Dudek, Pressesprecher bei Solvay in Hannover.

Für die meisten der 160 Hoechst-MitarbeiterInnen, die in der Kältetechnik arbeiten, soll sich nichts ändern, sagte Dudek. Die 130 Beschäftigten im Werk Frankfurt und 30 MitarbeiterInnen im spanischen Tarragona sollen künftig den Umsatz von Solvay vergrößern. Im vergangenen Jahr setzte Solvay weltweit Fluorchemikalien für rund 370 Millionen Mark um. Die belgische Chemiegruppe wird aber in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Vertrieb und Marketing die „Synergieeffekte“ nutzen, sprich Personal abbauen und eigene Leute einsetzen.

Vor allem interessiert sich Solvay für das Patent an dem FCKW- Ersatzstoff Reclin 134a. Bislang hatte das Unternehmen den ebenfalls die Ozonschicht zerstörenden Stoff lediglich verkauft, jetzt kann es ihn auch produzieren. Solvay will die R134a-Produktion jährlich auf 20.000 Tonnen verdoppeln. Nach eigenen Angaben stellt das Unternehmen weltweit rund 55.000 Tonnen Fluorchlorkohlenwasserstoffe her. Wolfgang Lohbeck, Leiter der Anti-FCKW- Kampagne bei Greenpeace, freute sich gestern über den neuen Gegner: „Solvay ist der bessere Gegner, weil die starrer sind“. ufo