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Funkelnde Songs im Glitzerzelt

■ Rauschende Premiere für „Kiss Me Kate“: Das Bremerhavener Theater poliert einen Cole-Porter-Klassiker auf, dieweil die Bremer immer noch mit ihrem Musical hadern

Eben haben sich auch die Bremer durchgerungen: Ein Musical soll nun endlich irgendwie her, um Bremens Anspruch als „Oberzentrum“ der Region zu behaupten. Ende –97 soll das Grusical „Dr. Jeckill & Mr. Hyde“ über die Bühne des teuer umgebauten „Showparks“ gehen. Nach den Metropolen Offenbach und Niedernhausen wird Bremen dann ca. die 35. deutsche Musicalstadt werden. Die Bremerhavener Kollegen sind ihnen jetzt schon längst zuvorgekommen: Mit „Kiss Me, Kate“ griff Peter Grisebach, Regisseur und Intendant des Stadttheaters, in die Schatzkiste alter Broadway-Musicals und zauberte ein effektvoll glitzerndes Stück hervor. Die Premiere des aufgebürsteten Cole-Porter-Klassikers bewegte das Publikum am Wochenende zu Beifallsstürmen. Wohl auch, weil Porters eingängige Songs immer noch eine Qualität besitzen, die vielen neueren Musicals mit ihrem handelsüblichen, lauwarmen musikalischen Dauerregen fehlt.

Regisseur Grisebach setzt auf Show und Revue, auf das allzeit tanzende Ballett und den unvergänglichen Schmelz von Porters Ohrwürmern. „Why Can't You Behave?“, „So In Love“ und „I Hate Men“ – die Songs werden mit wenigen Ausnahmen im Originaltext gesungen, was dazu beiträgt, die Operetten-Seligkeit dieser Musik zu mildern. Drumherum hat Christopher Hewitt einen geradezu betörend suggestiven Raum konstruiert. Die Szenen auf der Hinterbühne spielen im fast nackten, unverhüllten Theaterbau; für das „Spiel im Spiel“ aber fällt ein Zeltdach aus leichten Glitzerstoffen über den gesamten Raum. Ergebnis: eine in wechselnden Farben funkelnde Verkleidung, die vom Publikum mit spontanem Beifall bedacht wurde.

Im Mittelpunkt der Inszenierung aber steht eine glänzend disponierte Kathryn Dineen. Stimmlich und spielerisch gleichermaßen präsent, verkörpert sie die widerspenstige Lilli/Kate so anmutig und ironisch, daß für Männerphantasien aus der Mottenkiste gar kein Platz ist. Apcar Minas als ihr Ex-Gatte Fred, souveräner Grandseigneur des Bremerhavener Operetten-Ensembles, hat es neben ihr nicht leicht. Bei allem Charme, den er mitbringt: Die gelegentlich hausbackenen und flachen Dialoge, bisweilen ermüdend langsam gesprochen, sollten unbedingt noch geschärft werden.

Satirischer Höhepunkt des Abends ist eine ganz auf Bremerhaven zugeschnittene Kabarettnummer. Wenn Ewald Fürst und Günther Pirow in Seemannskluft als urkomisches Gangsterduo sich mit einem deutsch gesungenen „Schlag nach bei Shakespeare“ von der Bühne verabschieden, gerät das Publikum aus dem Häuschen. Hier wird ganz nebenbei das vom Oberbürgermeister mitbetriebene Lokal-Kabarett der „Müllfischer“ auf die Schippe genommen.

Grisebachs Inszenierung geht bei einigen langatmigen Balletteinlagen sowie einem wenig wirkungsvollen Chor macnhmal die Luft aus. Aber immer wieder gelingen ihm (und dem Choreografen Ricardo Fernando) Kabinettstückchen: Annette Otterbein und Uwe Eikötter glänzen in dem quirlig vorgetragenen Duett „Ich bin treu auf meine Art“; die schönste Szene aber ist das wild getanzte, jazzig sprudelnde „Too Darn Hot“, dem ein gut aufgelegtes Orchester unter Leitung von Arne Willimczik den richtigen Drive gibt. Grisebach hat mit „Kiss Me, Kate“ einen effektvollen Publikumsrenner gesichert, der Applaus zeigte es an. Hans Happel

Nächste Vorstellungen: 10. und 23. Februar, Staatstheater Bremerhaven, Großes Haus

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