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Bundesarchiv durchforstet Akten zum Fall Krelle

■ Münchner Archiv: „Wechsel vom Heer zur Waffen-SS grundsätzlich freiwillig“

Die Vergangenheit des umstrittenen Ehrendoktors der Humboldt-Universität (HU), Wilhelm Krelle, wird nun von einer Untersuchung des Bundesarchivs durchleuchtet. Bis Mitte nächster Woche sollen alle Unterlagen, die es zu Krelles Dienst in der Wehrmacht und der Waffen-SS in den verschiedenen Außenstellen des Bundesarchivs gibt, zusammengetragen und bewertet werden, erklärte gestern Walter Naasner von der Außenstelle Potsdam des Bundesarchivs. Krelle selbst kündigte gestern auf Anfrage an, er wolle gegen die Vorwürfe, er sei SS-Mann gewesen, juristisch vorgehen.

Der HU-Ehrendoktor erklärte, er sei in die Waffen-SS „nicht eingetreten“ und habe sich dort „nicht gemeldet. Ich bin hinbestellt worden, war aber kein Mitglied der SS, sondern weiter Heeresoffizier.“ Diese Möglichkeit, als Heeresoffizier in der Waffen-SS zu dienen, war von einem Mitarbeiter des Bundesarchivs allerdings bezweifelt worden, da Krelle in einer „Führerstellenbesetzung“ der 17. Waffen-SS-Panzer-Grenadierdivision geführt wurde. „Ich wurde als Sturmbannführer betitelt“, bestätigte Krelle gegenüber der taz. Er verwahrte sich allerdings dagegen, ein Nazi gewesen zu sein: „Das kam nicht in Frage. Ich komme aus einem christlichen Elternhaus.“ Auch die von Krelle im März 1945 unterzeichnete Formulierung für den gefallenen SS-Standartenführer Klingenberg, dieser sei ein „glühender, fanatischer Vertreter der Idee unseres Führers“ gewesen und „Wir wollen in diesem Sinne weiterkämpfen und das vollenden, für das er starb“, sei eben „damals so in dieser Form geschrieben worden“. Daß seine Einheit bis zum Ende erbittert gekämpft habe, nannte Krelle „hinhaltenden Widerstand“. Mit der Erschießung zweier deutscher Parlamentäre in Bad Wiessee am 3. 5. 1945 habe er allerdings „nichts zu tun“.

Das bestätigte auch der Leitende Oberstaatsanwalt des Landgerichts München II, Vollmann, nach Einsicht in die Ermittlungsakten. Der Name Krelle tauche im Register des Falles, zu dem Ende der sechziger Jahre 246 Zeugen vernommen wurden, nicht auf. Auch Staatsanwalt Willi Dreßen von der Zentralstelle in Ludwigsburg meinte, Krelle habe nur als Zeuge, nicht aber als Beschuldigter, ausgesagt. Der Kommandeur der Division „Götz von Berlichingen“, Georg Bochmann, werde in den Akten allerdings mit den Worten zitiert, er „erinnere sich an SS- Sturmbannführer Krelle, jetzt Professor.“ Da habe offensichtlich der eigene Chef nicht gewußt, daß sein Generalstabsmitglied Krelle kein Mitglied der Waffen-SS gewesen sein soll, meinte Dreßen.

Eine andere Quelle stellt die Version Krelles in Frage, er sei gegen seinen Willen zur Waffen-SS abkommandiert worden. Im Archiv des Münchner „Instituts für Zeitgeschichte“ findet sich die Aussage des ehemaligen Generals der Waffen-SS, Hans Jüttner, von 1962, der für die Aufstellung von Einheiten der Waffen-SS zuständig war: „Ich erinnere mich an keinen Fall, in dem vor dem 20. Juli 1944 ein Angehöriger der Wehrmacht gegen seinen Willen zur Waffen-SS versetzt worden wäre. Es sind natürlich Leute gekommen, die versetzt wurden, die wollten aber. (...) Nach dem 20. Juli war das nicht anders. Wenn ich bei der Aufstellung von Waffen-SS-Einheiten Leute brauchte, meldete ich das dem OKW (Oberkommando der Wehrmacht). Von dort wurde alles weitere veranlaßt. Von mir sind keine Leute angefordert worden, die nicht zur Waffen-SS kommen wollten.“ Allerdings scheint die Aussage Jüttners indirekt die Version Krelles zu stützen, man sei nicht automatisch als Heeresangehöriger bei einer Abkommandierung Mitglied der Waffen-SS geworden: „Ich habe bei Leuten, die zuerst (vom Heer zur Waffen-SS) kommandiert waren und dann in die Waffen-SS übernommen werden wollten, nicht nach der politischen Einstellung gefragt.“ Bernhard Pötter

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