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Hummer und Cognac

Die jetzt vorgestellte Frühjahrskollektion für die hauptstädtischen Beamten nach dem Motto „relaxed Chic“ wurde im ICC begeistert aufgenommen  ■ Von Johannes Groschupf

Lässig und unverkrampft soll es schon in wenigen Monaten wieder zugehen in den Berliner Amtsstuben. Die mit Spannung erwartete Frühjahrskollektion für die Bediensteten, die vorgestern vor geladenen Gästen im ICC gezeigt wurde, fand allerseits begeisterten Zuspruch. „Bequem und unkompliziert“, so charakterisierte der Regierende Bürgermeister den neuen Look, an dem er in freien Stunden selbst mitgeschneidert hat. Von einer Druckwelle der Sympathie empfangen, rief er aus: „Wer bügelt schon gerne empfindliche Blusen, die unter den neuen, schmalen Kostümjacken innerhalb von Minuten knittrig werden?“ Hand in Hand mit seiner Regierungsabschnittspartnerin hatte er sich präsentiert: das Body in Hummer, darüber die enge Satinbluse in Blutorange zum cognacbraunen Kostum, passend dazu der BVG-Schlips in Koralle.

„Relaxed Chic“ heißt die neue Parole, die schon vor Jahren in Neukölln ausgegeben wurde. Besonders darüber freuen werden sich die Mitarbeiter im Innendienst, die ihre Jogginganzüge nun zu Hause und im Büro tragen dürfen. Die Leopardmusterung überspielt dabei schwungvoll die waschmaschinenfeste Beimischung von höchstens 60 Prozent Kunstfaser. Die Stoffe verlieren den Hautkontakt, die Taille wird nur noch angedeutet. Hoffnungsträger des kommenden Frühlings und auch für die BVG-Zugabfertiger eine willkommene Abwechslung ist der Berliner Hosenanzug. Die begleitenden Hosen sind vom Knie leicht abwärts ausgestellt, was die Fahrgäste der BVG ja nicht unbedingt mitkriegen.

Dem Außendienst ist freilich ein gewisser Zug zur Repräsentation verblieben. Die Polizeibeamten und Feuerwehrleute dürfen fortan ihre Orden und Ehrennadeln am Revers tragen. Eine witzige Applikation aber stellt mit Sicherheit das Sträußchen Usambaraveilchen dar, das bei Temperaturen über zehn Grad unauffällig hinterm rechten Ohr getragen wird. Hier heißt die Parole also eher „Clean Look“, wie sie besonders von Wilmersdorfer und Spandauer Seite nachdrücklich eingefordert wurde. „Grunge ist voll out“, betonte ein federführender Kollege von der Stadtreinigung, „für alles Opulente und Überladene ist kein Platz mehr.“

Im sportlichen Segment allerdings, also auf den zahlreichen Baustellen, sind taillierte Kurzmäntel oder Wickelmäntel in Schwarz oder Kamel weiterhin en vogue. Der sich hier abzeichnende Trend zur Kompaktmode, hoffte die Bürgermeisterin, werde zum Sommer hin auch auf die Bevölkerung durchschlagen, und sie fügte mit Blick auf ihre gesteppte Weste hinzu: „Denn Frausein ist schön. Und mit Sicherheit ein gutes Gefühl.“

Eine neue Errungenschaft der „Hipster“: eine extrem tiefsitzende Hose, die im vergangenen Herbst schon in Kreuzberg Furore machte. Zielgruppe sind hier die Sozialhilfeempfänger, Ladendiebe und Langzeitarbeitslosen, deren Kleidergeld mit dieser Gabe verrechnet wird. Die Knopfleisten sind kaschiert, die Taschen versteckt oder eingespart.

Farblich ist im Frühling nichts Spektakuläres zu erwarten, die Modefarbe Schwarz bleibt beherrschend und wird nur verhalten mit etwas Weiß oder Taubenei aufgemischt.

„Der moderne Berliner im Staatsdienst“, resümierte der Regierende Bürgermeister in seiner launigen Abschlußrede, „verlangt eine entspannte Mode, die sich seinen Bedürfnissen anpaßt.“ Zeitlos geblieben ist die Mode der Hunde; auch im Frühling und Sommer ist das Häkelleibchen ein Muß, das allenfalls durch die spacey Halskrempe aus Plastik ergänzt werden sollte.

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