: Grausen vor Wrocklage
■ Justiz- und Sozialbehörde gegen die geplante Verschärfung des Polizeigesetzes
Innensenator Hartmuth Wrocklages (SPD) Herzenswunsch, das bereits 1995 eingeführte „Handlungskonzept St. Georg“ mit seinen Aufenthaltsverboten durch eine Gesetzesänderung endlich zu legalisieren (taz berichtete), stößt auf heftigen Widerstand. Die Sozialbehörde, so war zu erfahren, stört vor allem, daß das neue Gesetz Platzverweise und Ingewahrsamnahmen auch für Drogenkranke „verhältnismäßig und damit zulässig“ festschreiben will.
Das kalte Grausen dürfte den Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) gepackt haben. Nach dem Willen der Innenbehörde soll er nämlich die Zuständigkeit für Platzverweise von Amtsgericht auf das Verwaltungsgericht übertragen. Wrocklage verspricht sich von den Verwaltungsrichtern „mehr Verständnis“ für die repressiven Polizeimaßnahmen. Gut informierte Kreise berichten, daß Hoffmann-Riem die beabsichtigte Einschränkung der Grundrechte nicht mittragen will. „Die rechtsstaatlichen Standards müssen gewahrt bleiben“, soll der Justizsenator den Gesetzesentwurf kommentiert haben. Ein einzelnes Problemfeld wie St. Georg „darf nicht zum Anlaß genommen werden, das Polizeirecht generell zu ändern, ohne daß Auswirkungen auf andere Bereiche überschaut werden können.“ Denn ein Freibrief für die Polizei könnte z.B. auch linke und autonome AktivistInnen – siehe Chaostage in Hannover – treffen. In Niedersachen wird zeitgleich an Aufenthaltsverboten gearbeitet.
Justizsenator Hoffmann-Riem bewies bereits 1972 prophetische Fähigkeiten, als der Rechtsprofessor zu diesem Thema schrieb: „Dem kritischen Beobachter drängt sich gelegentlich der Verdacht auf, die Polizei habe hier ein Schlupfloch in dem zunehmend enger geknüpften Netz rechtsstaatlicher Bindungen gefunden, das sie eifrig nutzt und dabei zunehmend zu erweitern sucht.“
Gestern rechtfertigte die Innenbehörde ihren Gesetzesentwurf mit den altbekannten Allgemeinplätzen: die Polizei brauche „Handlungssicherheit“, denn die „abweichende Rechtsauffassung“ einzelner Haftrichter sei „schwer hinnehmbar“. Silke Mertins
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen