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„Höhepunkt der Kriminalisierung“

■ In Hamburg wird ab heute drei KurdInnen der Prozeß gemacht Von Marco Carini und Jesco Denzel

Von maskierten Polizisten auf der Autobahn gestellt, in einen bereitstehenden Hubschrauber geschleppt und umgehend nach Karls-ruhe verfrachtet, wo ihnen der Haftbefehl der Bundesanwaltschaft eröffnet wurde: So lief nach Angaben von Anwalt Albert Timmer Ende 1994 die Festnahme dreier KurdInnen in Bremen ab, gegen die heute vor dem Hamburger Oberlandesgericht unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen das Verfahren eröffnet wird.

Die 98-seitige Anklageschrift der Bundesanwaltschaft weist den drei Angeschuldigten unterschiedliche Rollen „in einer terroristischen Vereinigung innerhalb der Führungsstrukturen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ zu: Die Angeklagte Azime Y. wird der Rädelsführerschaft, Meryem Y. der Mitgliedschaft und Sait B. der Unterstützung der PKK-Teilorganisation „Europäische Frontzentrale“ beschuldigt.

Diese Untergruppe der seit 1993 in Deutschland verbotenen PKK wird unter anderem für die Durchführung von Autobahnblockaden und Brandanschlägen verantwortlich gemacht. Zudem sollen die Angeklagten die als „Bestrafung von Parteiabweichlern“ gewerteten Überfälle auf Kurden in Bremen und Hamburg im Oktober 1994 mitorganisiert haben, bei denen ein Opfer durch Messerstiche schwer verletzt wurde. Die Bundesanwaltschaft legt den dreien nun versuchten Mord – Azime Y. gar in zwei Fällen – und Bedrohung zur Last.

Dabei wird in der Anklageschrift nicht behauptet, daß die Angeklagten bei den Überfällen dabeigewesen seien. Indem die Angeklagten nach dem umstrittenen § 129a des Strafgesetzbuches (StGB) einer „terroristischen Vereinigung“ zugeordnet werden, können sie allein aufgrund dieser Mitgliedschaft auch für Straftaten verantwortlich gemacht werden, an denen ihnen keine direkte Beteiligung nachgewiesen werden kann.

Das auf 30 Verhandlungstage angesetzte Langzeit-Verfahren – in dem die Bundesanwälte 73 Zeugen, sechs Sachverständige und 196 Urkunden präsentieren wollen – reiht sich nach Ansicht von Anwalt Timmer in „die vielfältigen Staatsschutzaktivitäten ein, die jede prokurdische Betätigung in der BRD verhindern“ sollen. Die „Prozeßgruppe Bremen“ wertet die Anklage als Höhepunkt der „Kriminalisierungswelle gegen KurdInnen in Deutschland“.

Der heute beginnende Prozeß steht dabei in einer Reihe von weiteren § 129a StGB-Verfahren gegen insgesamt 20 KurdInnen, von denen das erste im September vorigen Jahres in Frankfurt begann. Weitere Prozesse sollen in den kommenden Monaten in Stuttgart, Düsseldorf und München beginnen. Durch diese Salami-Taktik solle, vermutet Anwalt Timmer, ein zentraler Mammutprozeß – wie er 1989 in Düsseldorf stattfand – vermieden und statt dessen mehrere Verfahren reibungslos und möglichst ohne große Öffentlichkeit durchgeführt werden.

Dafür, daß diese Rechnung nicht aufgeht, wollen zahlreiche autonome und antifaschistische Gruppen sorgen, die für heute 8.30 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Strafjustizgebäude am Sievekingplatz aufgerufen haben, in dem der Prozeß stattfindet. Während die Polizeiführung gestern noch über „polizeiliche Gegenmaßnahmen“ nachdachte, ist bereits eine weitere Demonstration geplant, die heute um 17 Uhr am Spritzenplatz beginnt.

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