Sanssouci: Vorschlag
■ Richard Glasers "Grief - Nur das Leben ist schlimmer" im Xenon
Jeremy, Leslie und Mark haben eine gute Zeit Foto: Salzgeber
Was haben Scheidungsrichter, Zirkuslesben, Spermaflecken und Frauen mit Gewichtsproblemen gemeinsam? Richtig, sie entstammen entweder dem mehr oder weniger alltäglichen Alltag oder der hybriden Dramaturgie der klassischen Seifenoper. Richard Glasers Film „Grief – Nur das Leben ist schlimmer“ (1993) zeigt, was herauskommt, wenn sich beides vermischt: Kummer, nicht zwangsläufig kümmerliche Stories. „Grief“ ist ein Mehrpersonen-Stück, in dem fast jede Figur die eine oder andere unlautere Beziehung zu einer oder einem anderen hat. Manche dagegen haben einfach nur Glück, wie Jo (Jackie Beat). Des aufreibenden Produzentinnen-Jobs müde, sind ihre Tage am Set der zweitklassigen Soap „The Love Judge“ gezählt. Sollen doch die KollegInnen weiter obskure Scheidungsfälle mit ulkigen Einfällen und platter Synopsis texten – sie wird heiraten, und zwar einen, der jedes üppige Pfund an ihr liebt. Basta.
Einer von Jos KollegInnen ist Mark (Craig Chester), einer von vier DrehbuchautorInnen. Just als sich der Tod seines an den Folgen von Aids gestorbenen Freundes jährt, beginnt die vom Montag bis zum Freitag reichende Handlung. Was sich da im Rahmen einer hektischen Arbeitswoche abspielt, ist eher privat als professionell. Mark trauert, und das Team mit ihm. Jeremy (Carlton Wilborn) hat eine Affäre mit Bill, obwohl der eigentlich Mark will und außerdem eine Freundin hat. Kummer auch hier, aber Regisseur Glaser, selbst im TV-Geschäft tätig, geht die Sache weniger zynisch an als zartbesaitet. Eine weitere Glanzrolle neben dem nachdenklichen Craig Chester und dem, obwohl leichtlebig, sensiblen Alexis Arquette (Bill) spielt Illeana Douglas (Leslie) als Sekretärin mit Autorinnenambitionen. Unlängst als böse Schwester in Gus van Sants „To die for“ zu sehen, ist sie hier der schnippische und herzensgute Brummkreisel der Truppe. Daß das Chaos der Crew dennoch produktiv wird, ist eines der Dinge, die dem Film vorbehalten sind. Die turbulente Handlung von „Grief“ wäre selber bestens episodenfähig, wär' da nicht dieser melancholische Unterton. Kummer eben. Gudrun Holz
„Grief – Nur das Leben ist schlimmer“. Bis 17.4. täglich 22.45, Sa. und So. 16.45 Uhr, Xenon, Kolonnenstraße 5, Schöneberg
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