: Hamburg hört mit am Telefon
■ Telekommunikationsgesetz: Senat mißachtet Warnungen der Datenschützer Von Marco Carini
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Herrmann Schrader stieß auf taube Ohren, seine Worte verhallten ungehört. Hamburgs BürgerInnen droht das Gegenteil: Für Telefongespräche könnte sich künftig ein unerwünschter Interessent finden.
Eindringlich hatte Schrader in den vergangenen Tagen vor den Datenschutzrisiken des geplanten Telekommunikationsgesetzes gewarnt und eine massive „Korrektur“ gefordert. Vergebens: Am Freitag stimmte auch Hamburg – Schrader hin, Datenschutz her – im Bundesrat dem Gesetzentwurf zu.
Erst Mitte März hatte Schrader – im Anschluß an eine Konferenz aller Datenschutzbeauftragten – vor der „unausgegorenen Regelung zuungunsten der Bürger“ vehement gewarnt. Da Daten über Zeitpunkt und Dauer von Telefonaten sowie die Telefonnummern der Gesprächspartner in Zukunft verstärkt gespeichert, länger aufbewahrt und selbst „bei Bagatellverfahren“ der Staatsanwaltschaft und Polizei zur Verfügung gestellt würden, verkäme die Telekom-Novelle „zum Strafverfolgungsgesetz“.
Schraders Kieler Kollege wurde noch deutlicher: „Ein Schritt in den Überwachungsstaat“. Folge der Kritik: Anders als Hamburg schwenkte die Kieler Landesregierung um und stimmte im Bundesrat am Freitag gegen die „Datenspeicherung auf Vorrat“ und für „das Grundrecht auf unbeobachtete Kommunikation“.
Das Hamburger Abstimmungsverhalten hingegen führt Schrader darauf zurück, daß bei den Behörden seine Kritik nicht richtig angekommen sei: In Hamburg hätte es „keine inhaltliche Auseinandersetzung über die Datenschutzrisiken des Gesetzes mehr gegeben“.
Hier irrt Schrader. Zwar bestätigt Senatssprecher Franz Klein, daß die Datenschutzrisiken „kein Thema“ waren, als der Senat in der vergangenen Woche sein Abstimmungsverhalten im Bundesrat festlegte. Doch nicht etwa, weil die Datenschutzbedenken den SenatorInnen nicht bekannt waren: Sie waren bereits vorab gewogen und für zu leicht befunden worden.
Burkhart Beilfuß, als Leitender Regierungsdirektor in Bonn für die Umsetzung der Hamburger Interessen im Bundesrat verantwortlich: „Hamburg hat anders abgestimmt, als die Datenschutzbeauftragten es sich gewünscht haben. Wir haben den Interessen der Strafverfolgung den Vorzug gegeben.“
Problem für Schrader: Niemand will in Hamburg bei der Telekom-Novelle für den Datenschutz verantwortlich sein. Federführend ausgearbeitet wurde die Hamburger Bundesrats-Position von der für die Telekommunikation zuständigen Wirtschaftsbehörde. Doch die erklärte sich für die Schrader-Kritik für unzuständig. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte: „Die Wirtschaftsbehörde sieht die Federführung bei der Behandlung der datenschutzrechtlichen Problematik in diesem Gesetz bei Hoffmann-Riems Justizbehörde.“ Die aber winkt ab. Justizbehörden-Sprecherin Sabine Westphalen zur taz: „Fragen Sie die Wirtschaftsbehörde.“
Für Schrader ist der Kampf um besseren Datenschutz nach der ersten Abstimmungsniederlage noch nicht zu Ende – bis zur endgültigen Entscheidung im Bundestag bestehe noch „genug Zeit für eine Kurskorrektur“. Um die in Gang zu bringen, will Hamburgs oberster Datenschützer nun umgehend „das Gespräch mit der Justizbehörde“ suchen.
Allerdings nicht telefonisch, wg. Vertraulichkeit.
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