: Super Bowl? Forget it!
Die „March Madness“ ist wieder ausgebrochen: Amerikas größtes Basketballspektakel geht in die Finalrunde ■ Von Jens Plassmann
Am Wochenende ist es wieder soweit. Die närrischen Tage für alle Hoopster erreichen ihren alljährlichen Höhepunkt, wenn die Basketballmeisterschaft der US- Colleges mit der Runde der Final Four entschieden wird. Nicht die NBA-Finals, nicht die Baseball World Series und schon gar nicht der Stanley Cup erregen die Gemüter amerikanischer Sportfans stärker als dieses Turnier. Allenfalls die „Super Bowl“ ist im Sportkalender noch dicker angestrichen. Doch offenbar läßt sich die Faszination des Collegesports nur schwer exportieren. Jenseits des großen Teichs sind Fälle von March Madness jedenfalls rar.
Zum kollektiven Ausbruch kommt die leicht fiebrige Bewußtseinsstörung Jahr für Jahr mit der Bekanntgabe der 64 Colleges, die aus dem Kreis der über 300 Division-I-Teams vom Dachverband NCAA eine der begehrten Einladungen zum „Big Dance“, zu den Play-offs im K.-o.-System, erhalten. Wie gewichtig diese Tanzveranstaltung ist, zeigt ein Blick auf die internationale Richterskala für Sportereignisse, die Verwertung ihrer Fernsehrechte. Umgerechnet über zweieinhalb Milliarden Deutschmark ließ es sich CBS 1994 kosten, für die nächsten acht Jahre das Turnier übertragen zu dürfen. (Zum Vergleich: der kürzlich abgeschlossene Dreijahresvertrag des DFB mit der Agentur ISPR über die Fernsehrechte für die Bundesliga liegt mit 550 Millionen um gut 40 Prozent niedriger.)
Nutznießer dieses Dollarregens sind neben den Organisatoren in erster Linie die Hochschulen mit den erfolgreichsten Teams, so daß aus dem sportlichen Wettstreit um den Einzug in das NCAA-Turnier und schließlich in die Final Four auch ein Kampf um Millionenbeträge wird. Die eigentlichen Hauptdarsteller in diesem Spektakel, die Spieler, sehen von diesem Geld aber – zumindest nach offizieller Lesart – ebensowenig wie von den Einkünften aus der Vermarktung der Teamlogos (Jahresumsatz über 2,5 Milliarden Dollar), den Fernsehrechten für die vorangehenden Ligaspiele, Exklusivabkommen ihrer Uni mit Schuhausrüstern oder anderen profitmaximierenden Maßnahmen ihrer hehren Lehranstalten. Erlaubt sind lediglich die Vergabe einer bestimmten Zahl von Stipendien, mit denen Kost, Logis und die zum Teil erheblichen Studiengebühren abgedeckt werden. Weniger offiziell dürfte eine gewisse bevorzugte Behandlung bei der Vergabe benötigter Seminarscheine die Regel, und weitreichendere Zuwendungen und Karrierehilfen keineswegs die Ausnahme bilden.
Attraktiv bleiben die maximal vier privilegierten Jahre auf dem Campus für die Youngsters aber damit noch allemal. Auch über 200 angehende Akademiker aus Basketballentwicklungsländern – sprich: dem Rest der Welt – erfahren mittlerweile in Division-I-Colleges ihre sportbetonte Ausbildung. Einer von ihnen ist Ex-Alba- Berlin-Spieler Ademola Okulaja, der auf Vermittlung seines ehemaligen Klubkameraden Henrik Rödl nun für die University of North Carolina die Stiefel schnürt. Als zuverlässiger Allroundspieler hatte Rödl mit den „Tar Heels“ 1993 sogar die NCAA-Meisterschaft gewonnen, bevor er sich in Berlin seine frisch erworbenen Qualifikationen versilbern ließ.
Okulajas erstes Jahr unter Coachlegende Dean Smith, für den spätere NBA-Stars wie Michael Jordan und James Worthy auf Korbjagd gingen, verlief bereits äußerst vielversprechend, doch konnte auch der gebürtige Nigerianer nicht das überraschend frühe Ausscheiden seines Teams aus dem laufenden Wettbewerb verhindern. Die Tar Heels unterlagen Texas Tech in der zweiten Runde deutlich mit 92:73.
Das Teilnehmerfeld ist inzwischen auf die Nobelrunde der letzten vier geschrumpft. So werden am Samstag in East Rutherford bei New York Kentucky gegen Massachusetts und Syracuse gegen Favoritenschreck Mississippi State untereinander die Endspielpaarung für den Showdown am Montag ausmachen. Wer live dabeisein möchte, hätte sich übrigens vor einem Jahr um Karten bewerben müssen. Bei 200 Interessenten pro freiverkäuflichem Ticket erlaubt sich die NCAA, das Eintrittsgeld aller Bewerber prophylaktisch vor der eigentlichen Kartenverlosung einzuziehen und es den negativ Beschiedenen nach etwa einem Jahr der Zinsverwertung mit freundlichen Grüßen zurückzuerstatten. Billiger lassen sich die diesjährige Entscheidung und Kentuckys furioses Dauerpressing auf NBC Superchannel verfolgen.
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