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Der Täter aus der Tonne

■ Die Antwort auf die codierte Tonne aus Tübingen: Ein Pfauenschrei soll Müllsünder im Park einschüchtern

Die Zahl der Leisetreter im Bürgerpark wächst quasi jährlich – mit jeder Gebührenerhöhung der Ent-sorgungsbetriebe. „Ich will nicht wissen, was ab Juli zusätzlich auf uns zukommt“, stöhnt Bürgerparkdirektor Werner Damke jetzt schon. Immer häufiger wird er persönlich Zeuge eines zunehmenden Sittenabfalls – im wahrsten Sinne des Wortes: „Fallenlassen und schnell weg“ lautet die Devise des Müllkippers – eines Täters, der quasi aus der Tonne kroch. Aus der codierten Mülltonne. Doch man sieht es ihm nicht an.

Hätte Werner Damke beispielsweise den gutgekleideten jungen Mann auf dem Fahrrad nicht selbst beobachtet – er hätte ihm die miese Tat vielleicht nicht zugetraut: Direkt vor Damkes Amtssitz, dem „Schweizer Haus“, mitten im Bürgerpark, befrachtete der Radler den öffentlichen Papierkorb mit seinem privaten Hausmüll. „Der war schneller weg als ich an der Haustür“, sagt Damke. Die Tatzeit: sieben Uhr morgens.

Hier beginnt das Problem. Die Täter schlagen rund um die Uhr zu. Ihr gemeinsames Kennzeichen ist allenfalls die volle Plastiktüte. Ihr eiserner Wille, den persönlichen Mülltonnen-Code auf Kosten der Bürgerpark-Verwaltung zu umgehen, bleibt unsichtbar. Er macht sich lediglich auf Damkes Müllrechnugen bemerkbar. „Containerweise“ werde im Sommer neuerdings der Müll abgefahren, sagt Damke. „Bei tausend Mark pro Container kommen beachtliche Summen zusammen.“

Daß die neue Sorte Müllmacher vorzugsweise – und eigentümlich sorgsam – tatsächlich die vorgesehenen Müllbehälter nutzt, rechnet der Parkdirektor ihnen nicht positiv an. Für solche Kleinigkeiten hat er wenig Sinn. Steigende Abfuhr- und Personalkosten bei sinkenden Tombola-Einnahmen machen ihm zu schaffen. Nach einem schönen Wochenende etwa füllen leere Dosen, die aus allen Winkeln im Park geklaubt werden müssen, locker zwölf gelbe Müllsäcke – auch das ein zunehmendes Ärgernis. Gegenmittel seien rar, sagt Damke. „In unserer Ratlosigkeit haben wir schon einige Müllbehälter abgenommen.“ Aber ideal sei das nicht.

Auch persönlich schreiten er und seine Mitarbeiter ein, wo möglich: „Wir sprechen die Parkbesucher höflich an“, sagt Damke. Allerdings – „die meisten leugnen.“ Selbst wenn Parkmitarbeiter nur anrufen, weil adressierte Umschläge die Herkunft der Mülltüte verraten, „beteuern die Leute, ihnen sei ihr Müll irgendwie abhanden gekommen“. Über solche Dreistigkeiten schüttelt Damke nur den Kopf. Die Geschichten, die man von scheinbar braven Bürgern aus Schwachhausen oder Findorff zu hören bekomme, seien schier unglaublich. Da kommt das Neueste vom Elektronik-Markt, der „pfeiffende Abfallkorb“, wie gerufen.

Die Neuerung stammt aus dem Schwäbischen – und wurde dort sogar schon erprobt. Studierende des Fachbereichs Physik in Tübingen stecken dahinter: Fallen mehr als 270 Gramm Abfall (das Durchschnittsgewicht einer feuchten Babywindel) auf einen Schlag in den Papierkorb, wird ein elektronischer Impuls wie auf einer singenden Grußkarte ausgelöst. Der doppelwandige Blechkubus beginnt laut und anzüglich zu pfeiffen. „So ein Pfiff, wo einfach jeder den Kopf dreht“, sagt der studentische Miterfinder Benno Witzleben.

Der angehende Physiker bearbeitet die Anfragen nach der Erfindung selbst, darunter auch die des Bremer Bürgerparks. Daß die den anzüglichen Pfiff allerdings für „gewagt“ halten, kann er nicht verstehen. „Nur deshalb verzögert sich unsere Lieferung“, berichtet er. Der gewünschte schrille Pfauenschrei klinge noch etwas gekünstelt. „Aber bis Juli, wenn Euer Herr Damke die Müllflut erwartet, können wir den auch liefern.“ ede

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