: Halbmast in USA und Bosnien
■ Bosnien fürchtet nach Absturz einer US-Maschine mit Wirtschaftsfachleuten um die Wiederaufbauhilfe aus den USA
Sarajevo (taz) – In Sarajevo wurde die fröhliche Stimmung während des jüdischen Passahfestes durch die Nachricht des Absturzes eines US-amerikanischen Flugzeuges jäh unterbrochen. Und auch in Kroatien hingen gestern die Fahnen auf Halbmast. Denn der Tod von 27 hochrangigen Wirtschaftsfachleuten aus den USA wird nicht nur als menschliche Katastrophe empfunden, sondern auch als eine Gefahr für den wirtschaftlichen Erholungsprozeß der beiden Länder, der durch den Tod der Fachleute einen herben Rückschlag erleiden kann.
Die Delegation war am letzten Mittwoch von der bosnischen Stadt Tuzla kommend in die kroatische Hafenstadt Dubrovnik geflogen, wo ebenfalls Gespräche stattfinden sollten. Um 15 Uhr begann die US-Militärmaschine den Anflug auf den Flughafen der dalmatinischen Hafenstadt, der oberhalb der Stadt auf einem Hochplateau gelegen ist. Die Wetterbedingungen waren miserabel: Sturm und Platzregen. Die Suche, die sofort eingeleitet wurde, als die Maschine plötzlich vom Radarschirm der Fluglotsen verschwand, bestätigte die Vermutungen, die über den US-Nachrichtensender CNN ausgestrahlt wurden: Das Flugzeug war gegen eine Bergwand gestürzt, für die Insassen gab es fast keine Überlebenschance. Lediglich eine Reisende konnte von den Rettungsmannschaften schwer verletzt geborgen werden. Sie starb auf dem Weg ins Krankenhaus.
Die Delegation wurde von dem Handelsminister der USA, Ron Brown, angeführt. Es starben 11 weitere hochrangige Mitarbeiter des Handelsministeriums, die alle mit dem Wiederaufbau der Kriegsregion auf dem Balkan befaßt waren. Unter den 13 Wirtschaftsfachleuten und Managern befinden sich die Vertreter so bekannter Firmen wie Brown und Boveri, der Bechtelgruppe, AWT Corp. (Luft- und Wassertechnologien), des Energiesektors. Weiterhin starben der Reporter der New York Times, Nathaniel C. Nash, eine kroatische Dolmetscherin und ein Fotograf sowie die sechsköpfige Besatzung.
Noch in der bosnischen Stadt Tuzla hatte die Delegation mit dem Bürgermeister Selim Beslagic verhandelt.
Beslagic erklärte später, erstmals sei geschehen, worauf er seit dem Beginn des Dayton-Agreements gehofft hatte: Ron Brown hätte nicht über humanitäre Hilfe gesprochen, sondern darüber, wie die bosnische Ökonomie wieder auf die Beine kommen könnte, über Investitionen und über den Handel mit den Produkten, die Tuzla aus eigener Kraft schon jetzt anzubieten in der Lage sei. In einem Brief an den US-Präsidenten Bill Clinton drückte der Bürgermeister der ostbosnischen Industriestadt die Hoffnung aus, daß die US-amerikanische Politik „trotz dieses unfaßbaren Geschehens“ bei der Politik bliebe, die Ron Brown verkörpert habe.
Ron Brown galt als ein energischer Mann, dem es gelungen war, die US-Wirtschaft gegenüber den Märkten des Fernen Ostens zu öffnen und der besonderen Wert auf die Handelsbeziehungen zu den Schwellenländern legte. Nicht zuletzt diesem knallharten Interessensvertreter ist zu verdanken, daß die Clinton-Regierung wirtschaftliche Erfolge verweisen kann. Insbesondere wegen der Verbindungen des Handelsministers zu den Repräsentanten der US-Wirtschaft hatte man in Bosnien-Herzegowina darauf gehofft, daß US- Unternehmen beim Wiederaufbau eine aktive Rolle spielen würden. „Die Hoffnung darauf ist nicht geschwunden,“ heißt es aus dem Haus des Präsidenten Izetbegovic, „doch der Flugzeugabsturz könnte zu einer Verzögerung der von uns angepeilten Projekte führen.“
Als Nachfolgerin Browns wurde die Unterstaatssektretärin für Wirtschaft, Mary Good, bestimmt. Sie wird ironischerweise auf einen Erfolg des Handelsministers bei den Verhandlungen mit der kroatischen Regierung zurückgreifen können: Kroatien wird 18 Flugzeuge der Firma Boeing kaufen – und nicht den europäischen Airbus. Erich Rathfelder
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