Widerspruch prüfen Traum

■ Widerspruch gegen die Rücknahme der Verkehrs-beruhigung im Viertel bleibt mäßig: dreimal Protest protestieren

Bausenator Bernt Schulte ist ein Mann ohne Visionen. Das jedenfalls glaubt der „eingeborene Ostertorsche“ Hermann Bohne. Der will seinen Traum von der vielleicht längsten fußgängerzonenähnlichen Einkaufsstraße Norddeutschands von Saturn bis zum Schwarzen Meer nicht aufgeben. Fristgerecht hat der fünffache Hausbesitzer deshalb im März Widerspruch gegen die Rücknahme der Verkehrsberuhigung im Viertel eingelegt.

Über 20 Seiten umfaßt sein Schreiben an die Baubehörde – das die vorerst „noch prüft“. In spätestens drei Monaten sei eine Entscheidung fällig, so Baubehördler Harald Bode. Erst danach kann Hauseigentümer Bohne vor das Verwaltungsgericht ziehen – was er auch schon erwägt. Denn er weiß, daß sein Einspruch nur vage Aussicht auf Erfolg hat. In der Behörde jedenfalls orakelt der zuständige Mitarbeiter, daß durch die Rücknahme der Verkehrsberuhigung ja niemand in seinen Rechten verletzt wurde. „Wir haben nur eine Vergünstigung zurückgedreht“, sagt Bode.

Mehr als zurückgedreht, meint dagegen Bohne. Der Senator sei vor weitgehend unbewiesenen Klagen über Umsatzrückgänge einfach vorschnell eingeknickt. Die drei lautesten Beschwerdeführer gegen die Verkehrsberuhigung hätten sich gegen die Interessen von AnwohnerInnen und Eigentumsbesitzern mehr oder weniger durchgesetzt – doch vor allem Hausbesitzern und Ladenvermietern wie ihm drohe durch die Rücknahme ernstes Ungemach.

Nicht nur, daß schon während der zweijährigen Umbaumaßnahme des Straßenzugs zwei seiner drei Ladenmieter das Geschäft wegen Umsatzeinbußen aufgeben mußten, so Bohne. Als er sich zwecks Neuvermietung an überregionale Makler wendete, hätten die das Angebot rundweg abgelehnt, weil „der Straßenzug so dreckig und heruntergekommen sei, daß sie keinem Geschäftsmann ein Geschäft dort anbieten könnten, ohne dem eigenen Namen zu schaden“, schildert Bohne dem Senator. Der Niedergang des Viertels sei bereits deutlich sichtbar: Allein am Ostertorsteinweg stünden zur Zeit zwölf Geschäfte zur Neuvermietung an. Drei davon, mit einer Gesamtfläche von über 1.000 Quadratmetern, stünden schon seit längerem leer. Wer große Flächen anzubieten habe, könnte allenfalls Posten- und Partien- Resteläden einwerben oder Waschsalons. „Aber das macht doch das Viertel als attraktive Lage kaputt“, sagt Bohne. Mit Schuld sei daran der Senator und das laute Geschrei der Kaufleute, die das Viertel in die Negativschlagzeilen gebracht hätten.

Die Kaufleute im Viertel hören das nicht gern. Dank Kompromiß zwischen Beirat und Senator herrsche doch erst seit Februar „ruhiges Fahrwasser“. Außerdem, schießen sie zurück, sei die Aktion Bohnes von reinen Vermieterinteressen geleitet: Lagen in einer Fußgängerzone seien teurer zu vermieten, sagt der Sprecher der Viertel-Kaufleute, Norbert Caesar.

Auch Viertel-Bürgermeister Robert Bücking hält es für „richtigen Blödsinn“ wegen der Leerstände, auf eine Krise zu schließen. Richtig sei lediglich, daß große und teure Lokale schwer weggingen. Vor allem das zeigten die aktuellen Leerstände. Im übrigen sei der Einzelhandel im Viertel möglicherweise „der stabilste in der ganzen Stadt.“ Die Uhr wolle hier niemand mehr auf die Zeit vor dem Kompromiß zurückdrehen. Dennoch stehe der Zeiger stimmungsmäßig auf kurz vor zwölf.

Schuld an der aufkeimenden Unzufriedenheit im Viertel ist nach Bückings Ansicht vor allem die Laschheit, mit der selbst die persönlichen Anweisungen des Bausenators mißachtet würden. „Die Abbiegevorschrift am Ostertorssteinweg ist doch ihr Blech nicht wert“, sagt Bücking. Auch die Knöllchen, die das Privatunternehmen „Brepark“ verteilt, seien bisher eher Anlaß für Spott und Hohn gewesen als für einsichtige Parksünder.

Das sieht die Brepark allerdings anders: Man habe sich nun auf 100 Knöllchen pro Tag gesteigert, so Sprecher Frank Brombach. „Über unsere Mitarbeiter lacht niemand.“

ede