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Die Dynamik der Zweisamkeit

■ Gerda Marko und ihr Buch über schreibende Paare

Selbst die Komplexität einer „gewöhnlichen“ Beziehung ist ja kaum durchschaubar und liefert endloses Material für Beschäftigung, Selbstbeschäftigung und Auseinandersetzung. Um wie viel schwieriger, vielschichtiger, aber auch faszinierender wird die Angelegenheit – auch für Außenstehende –, wenn in einer Beziehung dann obendrein zwei extreme Egos aneinandergeraten, zwei Eigenwelten von ähnlich ausgeprägter Dichte, Künstler eben, Schauspieler etwa – oder aber zwei Schriftstellerseelen. Die Häufung von Schwierigkeiten scheint da vorgegeben.

Unabhängig von Dichte und Schwere der respektiven Egos – die Probleme liegen ja schon in der grundlegenden Beschaffenheit der Arbeit des Schreibenden: Nähe bildet sich – üblicherweise – im Zusammensein durch Nähe aus, Vertrautsein durch das gemeinsame Da-Sein. Doch wer schreibt, Gedachtes massiv sammelt und es umformt, es formt, braucht das Alleinsein im Prozeß. Zwei Schreibende müßten also aufeinander wirken wie zwei Magneten, deren Felder sich strikt gegeneinander richten.

In ihrem Buch Schreibende Paare versammelt die Österreicherin Gerda Marko die berühmten Schreiber-Paare der Literaturgeschichte, von der Romantik bis heute, und liefert, neben spannend zu lesenden, so einfühlsam wie flüssig geschriebenen Porträts von Einzelschicksalen, die zum Doppelschicksal werden, auch ein Bild von den Veränderungen im Geschlechterdasein.

Dabei hat die Dozentin am Salzburger Mozarteum und der Falckenberg-Schule in München einen Blick, der weit über das direkt Dargestellte hinausgeht: Schuldzuweisungen, wenn es um unterdrückende Strukturen oder Mechanismen geht, will sie nicht dem direkten Partner untergeschoben wissen und stellt die Verhältnisse in den gesellschaftlichen Zusammenhang.

Der ist, wenigstens zum Anfang ihres Buches, noch völlig patriarchalisch ausgerichtet: da ist etwa „die Gottschedin“, Gattin vorrangig, und wenn sie den Vorlesungen des Ehemanns folgen wollte, dann hinter der Tür, weil ihre Präsenz ein Skandal gewesen wäre. Ihr Leben lang tut und macht sie für den Gatten, und daß sie selber eine begnadete Komödienschreiberin ist, hätte sie fast selbst vergessen. Nach 28 Ehejahren bezeichnet sie ihre literarische Tätigkeit im Dienst ihres Mannes als „Galeerenarbeit.“

Marie Sophie Gutermann, Cousine und Muse von Christoph Martin Wieland, durfte immerhin, vom Cousin ermutigt, einen ersten Roman veröffentlichen, den er allerdings auch gleich als in keinem Fall der Kunst zuzurechnendes Elaborat kennzeichnete.

Über George Sand und Alfred de Musset und Lou Andreas-Salomé und Rilke, Jane und Paul Bowles oder Sylvia Plath und Ted Hughes reicht Gerda Markos Ent-Hüllung von Lebensformen, Möglichkeiten und Falschheiten bis in die Jetztzeit: von „Sexus und Arbeitsrausch“ bei Anais Nin und Henry Miller oder die „linientreue Liebe“ Elsa Triolets und Louis Aragons, bis hin zum abschließenden Kapitel, das „Innige Distanz“ überschrieben ist. Das Miteinander hat sich gewandelt, natürlich, mit den Zeiten. Auch das Gleichgewicht in den Beziehungen. Trotzdem sind auch Friederike Mayröcker und Ernst Jandl noch mit dem Urproblem der Schriftsteller-Beziehung befaßt. „Keiner hat die Einsamkeit des andern angetastet“, ist ihr Porträt überschrieben.

Gerda Marko stellt ihr schönes Buch heute in Hamburg vor.

Thomas Plaichinger

Literaturhaus, 20 Uhr

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