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Baulobby will bei neuem Tarif mauern

Mittelstandsvertreter lehnen Lohnerhöhung für Bauarbeiter um 1,85 Prozent ab. 60 Prozent der Betriebe könnten schon den alten Tarif nicht bezahlen. IG Bau: Das ist bloß Kraftmeierei  ■ Von Hannes Koch

Kurz bevor Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeberverbände der Bauwirtschaft den bundesweiten Tarifvertrag 1996 unter Dach und Fach bringen wollen, macht die Berliner Mittelstandslobby gegen die Einigung mobil. Die Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg lehnt einen vorgestern ausgehandelten Kompromißvorschlag ab. „Der paßt nicht in die Landschaft“, sagte Rolf Sterzel, Geschäftsführer der Fachgemeinschaft, die 1.400 kleine und mittlere Betriebe vertritt.

Die Unternehmer wettern vor allem gegen die im Vergleich zu früheren Tarifabschlüssen moderate Erhöhung der Bauarbeiterlöhne um 1,85 Prozent, die rückwirkend ab 1. April gelten soll. Diese Vereinbarung hatte der Schlichter Hans Apel (SPD) den beiden Arbeitgeberverbänden der Bauwirtschaft und der Industriegewerkschaft Bau in bundesweiten Verhandlungen abgerungen.

Die Tarifparteien müssen dem Schlichtungsspruch noch einmal offiziell zustimmen. Diese Zustimmung wollen die Berliner und Brandenburger Betriebe verhindern und rechnen dabei mit der Unterstützung anderer Landesverbände. Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen wollen den Vertrag angeblich ebenfalls ablehnen.

Die Fachgemeinschaft Bau befürchtet, daß andernfalls die Mitglieder weglaufen. „Die Lohnerhöhung ist nicht durchsetzbar“, meint Geschäftsführer Sterzel. Gerade im unterentwickelten Osten seien viele Betriebe arme Schlucker. Rund 60 Prozent der Mitglieder könnten heute schon den alten Tarif der niedrigsten Lohngruppe von 20,24 Mark brutto pro Arbeitsstunde in Berlin nicht bezahlen – von Lohnerhöhungen gar nicht zu reden. Die Verweigerung des Tariflohns sei kein böser Wille: Die Unternehmen stünden kurz vor der Pleite.

Die mittelständischen Arbeitgeber spekulieren darauf, den neuen Tarifabschluß möglichst lange hinauszuzögern. Weil der alte Tarif nicht mehr gilt, würde ihnen das die Möglichkeit geben, neue Arbeitsverträge mit ihren Beschäftigten abzuschließen und damit die Löhne unter das bisher übliche Niveau zu drücken.

Die Berliner IG Bau betrachtet die ablehnende Haltung der Fachgemeinschaft allerdings als bloße Kraftmeierei. „Das ist nur eine öffentlichkeitswirksame Alibiveranstaltung, um die Unternehmen zu besänftigen“, urteilt Wolfgang Selle, Landessekretär der Gewerkschaft. Seine Einschätzung wird unterstützt durch die Mehrheitsverhältnisse im Arbeitgeberlager aus Bundesebene. Während die ostdeutschen Landesverbände die Tarifschlichtung ablehnen, wollen die westdeutschen Arbeitgeber eher zustimmen. Und letztere haben die Mehrheit in den Arbeitgeberverbänden.

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