: Eingreiftruppe greift in Liberia ein
Nach den Plünderungen beginnen Soldaten der westafrikanischen Friedenstruppe damit, die Kontrolle über Liberias Hauptstadt zu übernehmen. Das könnte den Krieg eher verlängern ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – Es läuft offenbar alles nach Plan. Die internationalen Organisationen, von UNO bis zum kleinsten Hilfswerk, sind aus Liberias Hauptstadt Monrovia abgezogen. Die US-Botschaft hat ihre von US-Soldaten abgeschirmte Evakuierungsaktion, bei der nach amtlichen Angaben über 2.000 Ausländer aus Liberia auf Schiffen und Hubschraubern außer Landes gebracht worden sind, offiziell für beendet erklärt. Bleibt als einzige auswärtige Kraft in Monrovia die Ecomog-Truppe, die von Nigeria beherrschte 12.000 Mann starke Eingreiftruppe der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Soldaten der Ecomog begannen gestern, ins Stadtgebiet von Monrovia auszuschwärmen. Zuvor hatte die Ecomog-Führung eine Woche lang der Plünderungsorgie verschiedener Milizen in Monrovia untätig zugesehen. Die einfachen Soldaten der Ecomog – mehrheitlich Nigerianer, Ghananer und Guineer – beteiligten sich sogar zum Teil am Ausräumen der Gebäude ausländischer Organisationen, während deren Mitarbeiter in die Hubschrauber der US-Armee kletterten.
Was jetzt wie eine lange überfällige Befriedung aussieht, ist in den Augen zumindest einiger Liberianer eine Parteinahme. Die Ecomog-Stationierung entspricht nämlich dem Wunsch des Milizenführers Roosevelt Johnson, der mit dem bewaffneten Widerstand gegen seine Verhaftung durch die liberianische Polizei am Ostersamstag die neue Kriegsrunde begonnen hatte. Seine Miliz, so hatte Johnson am Sonntag erklärt, sei „nur mit der Totalstationierung der Ecomog in Monrovia einverstanden“ und bitte um einen „umfassenden und Ecomog-überwachten Waffenstillstand“. Genau das tut die Ecomog jetzt und rettet damit die Johnson-Miliz. Bis jetzt war die Johnson-Truppe in der Barclay-Kaserne verschanzt, die alte Armeebaracke im Zentrum Monrovias. Dort wurden sie von Truppen der liberianischen Übergangsregierung belagert, welche Johnson verhaften wollen. Nun soll die Ecomog gemäß der jüngsten Waffenstillstandsvereinbarung vor der Barclay-Kaserne aufziehen und Johnson sicheres Geleit bieten.
Inmitten des Chaos der vergangenen Tage hatte sich Liberias alte Bürgerkriegsfront der Jahre 1990 bis 1992 wieder gefestigt, in der sich Angehörige der Krahn-Ethnie – bis 1990 das herrschende Volk Liberias – den Milizen anderer Volksgruppen gegenüberstehen. Johnson führt die sogenannte „Ulimo-J“ (Vereinigte Befreiungsbewegung, Johnson-Flügel) an, die aus Krahn besteht; mit ihm haben sich mehrere andere Krahn- Gruppen verbündet. Mit diesen Milizen sitzen etwa 20.000 Krahn- Zivilisten in der belagerten Barclay-Kaserne, die zu einer Krahn- Festung geworden ist. Auf der anderen Seite befindet sich an erster Stelle die größte bewaffnete Gruppe in Liberia, die „Nationalpatriotische Front“ (NPFL) unter Charles Taylor, sowie die „Ulimo-K“ (Vereinigte Befreiungsbewegung, Kromah-Flügel) unter Alhaji Kromah. Taylor und Kromah sind die beiden mächtigsten Politiker in der seit August 1995 amtierenden Übergangsregierung, und Taylor sieht sich bereits als der faktische Präsident Liberias. Taylors und Kromahs Truppen leisten sich seit Monaten im Westen Liberias blutige Kämpfe gegen Johnsons Anhänger.
Ecomog gegen Liberias Übergangsregierung
Die Ecomog-Truppe scheint nun die Partei der Krahn zu ergreifen. Dies könnte eine Retourkutsche für einen Vorschlag Taylors vom März sein, wonach die liberianische Regierung – bestehend aus den Milizenführern selbst – die im Friedensabkommen von 1995 vorgesehene Entwaffnung der liberianischen Milizen vornehmen soll anstelle der Ecomog. Jetzt tut die Ecomog das, was sie schon bei ihrer ersten Stationierung in Monrovia im Sommer 1990 tat: Sie stellt sich gegen Milizenchef Charles Taylor, um dessen Machtergreifung zu verhindern. Schon vor sechs Jahren trug das zur Kriegsverlängerung bei. Und heute ist Taylor in der Übergangsregierung Liberias für die Polizei zuständig und vertritt damit eindeutig den liberianischen Staat. „Als Regierung werden wir mit diesen Terroristen nicht verhandeln“, kommentierte Taylor am Sonntag die Möglichkeit von direkten Gesprächen mit Johnson. Die Nigerianer und Ghanaer, die die Ecomog kommandieren, werden nur schwer Gründe finden, warum sie die von ihren Diplomaten selbst ins Leben gerufene liberianische Übergangsregierung nun daran hindern sollten, Liberia zu regieren.
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