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Öffentlichkeit verbannt

■ Kurdenprozeß: Opfer ja, Zeuge nein

Schizophrenie vor Gericht: Nach stundenlangem Hickhack wurde gestern im „KurdInnenprozeß“ vor dem Hamburger Oberlandesgericht die Öffentlichkeit aus dem Saal entfernt, angeblich, um den Zeugen A. zu schützen. Doch Undank war der Richter Lohn: A. wollte, daß die Öffentlichkeit wieder Platz nehme. Der Vorsitzende Richter des dritten Strafsenats, Albrecht Mentz, drohte A. daraufhin ein Ordnungsstrafe an, wenn er nicht aussage.

A. ist eines der mutmaßlichen Opfer der drei angeklagten Azime Y., Meryem Y. und Sait B.; ihnen wird vorgeworfen, als PKK-Führungskader Anschläge auf „abtrünnige“ PKK-Mitglieder angezettelt zu haben. Seit dem 20. März wird ihnen in Hamburg der Prozeß wegen Mordversuchs, wegen Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in sowie Unterstützung der kurdischen Arbeiterpartei PKK gemacht.

Nachdem die SympathisantInnen aus dem Zuschauerraum entfernt worden waren, durften zumindest die Angeklagten selbst weiterhin ihrem Verfahren beiwohnen. Die Bundesanwaltschaft hatte auch ihren Ausschluß beantragt, mit der merkwürdigen Begründung, der Belastungszeuge A. könnte sich unter Druck gesetzt fühlen und nicht die Wahrheit sagen. A. sah das ganz anders: Nicht die Organisation oder gar die sympathisierende Öffentlichkeit, zu der er sich selbst zähle, hätten ihn bedroht, sondern erst die Polizei und nun auch der Richter: „Ich betrachte mich nicht als Zeugen“ und er würde auch nicht sagen, „was der Richter von mir hören will.“

Schließlich gab A. dann doch zu Protokoll, daß er im Oktober 1994 von etwa drei oder vier Menschen mit Eisenstangen oder Knüppeln krankenhausreif geschlagen wurde; wer ihn überfallen hatte und warum, wußte er jedoch nicht. Der Prozeß wird heute fortgesetzt.

Ulrike Winkelmann

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