Schmiergeldverdacht in Virchow-Klinik

■ Ein Mitarbeiter in U-Haft. Er soll für Aufträge Geld kassiert haben. Ermittlungen gegen zwei Kollegen

Ein Mitarbeiter des Universitätsklinikums Rudolf-Virchow sitzt seit vier Wochen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue in Untersuchungshaft. Dies bestätigte gestern Justizsprecher Rüdiger Reiff.

Dem Mitarbeiter wird vorgeworfen, von Mitte 1994 bis März 1996 der Firma Wollny Kommunikationstechnik GmbH bevorzugt Aufträge erteilt zu haben und dafür geldwerte Gegenstände und Geld entgegengenommen zu haben. Er soll die Aufträge außerdem zu überhöhten Preisen und ohne Ausschreibung erteilt haben. Die Firma wartet die Telefonanlage des Klinikums. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich gegen zwei Beschäftigte der Firma Wollny und drei Mitarbeiter des Krankenhauses. Derzeit wird geprüft, ob die Leistungen, die die Firma in Rechnung gestellt hat, tatsächlich erbracht wurden oder ob es sich um fingierte Lieferscheine handelt. Die Ermittler prüfen auch Vorwürfe, wonach sich der in U-Haft sitzende Mitarbeiter seine Feier zum 50. Geburtstag von der Firma Wollny hat bezahlen lassen. Wie aus einem anonymen Schreiben hervorgeht, das der taz zuging, sollen die Geburtstagsgäste an einem Wochenende per Bus in ein Schloß in Mecklenburg-Vorpommern gereist sein. Dort sollen sie auf Kosten der Firma Wollny „geschlemmt“ haben.

Justizsprecher Reiff wollte sich gestern zur Höhe des möglicherweise entstandenen Schadens nicht äußern. Nach Angaben des anonymen Schreibens soll durch fingierte Rechnungen allein im Jahr 1994 ein Schaden von mindestens 500.000 Mark entstanden sein.

Der ärztliche Leiter des Virchow-Klinikums, Eckart Köttgen, geht davon aus, daß der in U-Haft befindliche Mitarbeiter „ungerechtfertigt in Verdacht geraten ist“. Der Mitarbeiter habe sich bemüht, eine billigere Firma für die Wartung der Telefonanlage zu finden. Den Zuschlag habe die Firma Wollny erhalten. Es sei anhand von Belegen nachvollziehbar, daß das Geld für die abgerechneten Leistungen ausgegeben worden sei. Allerdings habe der Mitarbeiter haushaltsrechtliche Bestimmungen umgangen, indem er Rechnungen für Leistungen vordatiert habe, die erst im darauffolgenden Haushaltsjahr erbracht worden seien. Darüber habe er seinen Vorgesetzten nicht informiert.

Der in U-Haft sitzende Mitarbeiter hat gegenüber der Klinikleitung angegeben, einen Beratervertrag mit der Firma Wollny gehabt zu haben. Er soll an der Entwicklung des Serviceprogramms für die Telefonanlage des Virchow-Klinikums beteiligt gewesen sein. Als Ende März bekanntwurde, daß die Wirtschaftskripo seit einem halben Jahr ermittelt, führte die Klinikleitung mit fünf Mitarbeitern Gespräche.

Es sei auch intern geprüft worden, ob die Vorschriften für die Ausschreibung von Aufträgen eingehalten worden seien, erklärte Köttgen. Dabei hätten sich keine Hinweise für fehlerhaftes Handeln ergeben. Dorothee Winden