: Kirche zahlt Kopfgeld
■ Gnade statt Recht: Pakistanische Familie bekommt Duldung, weil Bischöfin Unterhalt zahlt – Kirchlicher Arbeitskreis Asyl empört Von Silke Mertins
Auf höchster Ebene wurde über das Schicksal der siebenköpfigen Familie Akthar aus Pakistan beraten: Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) und Staatsrat Wolfgang Prill verhandelten höchstselbst mit Bischöfin Maria Jepsen und ihrem Oberkirchenrat Kurt Ziehbold. Das Ergebnis: Wrocklage veranlaßte eine Duldung, die Kirche zahlt den Unterhalt der Familie. Kopfgeld für Flüchtlinge.
Die Mutter der Familie Akthar sollte mit den fünf minderjährigen Kindern im vergangenen August abgeschoben werden, obwohl sie als Mitglieder der verfolgten religiösen Minderheit „Ahmadiyya“ im Heimatland als Todeskandidaten gelten und das Asylverfahren des Mannes noch läuft. Als die Ausländerbehörde eine Duldung ablehnte, flüchtete die Familie ins Kirchenasyl. „Uns ging es darum, der Familie zu ihrem Recht zu verhelfen“, betont Wolfgang Främke vom Arbeitskreis Asyl der Nordelbischen Kirche. Nach dem Asylverfahrensgesetz (Paragraph 43, Absatz 3) bestünde ein Rechtsanspruch darauf, daß die Familie nicht getrennt wird.
Doch die Kirchenleitung wählte einen anderen Weg. „Die Prüfung hat ergeben, daß die Evangelische Kirche für die Lebenshaltungskosten der Familie aufkommt und sie dem Sozialamt Wandsbek rückerstattet“, bestätigt Petra Bäuerle, Pressesprecherin der Sozialbehörde. Wenn jedoch eine Duldung auf normaler Rechtsgrundlage ausgestellt wurde, hat die Familie Anspruch auf Sozialhilfe. Es bestünde überhaupt kein Anlaß für die Kirche, dem Staat die Unterhaltskosten abzunehmen. Es sei denn, die Duldung ist an Unterhaltszahlungen geknüpft.
„Die Kirche hat sich von sich aus um Finanzierung bemüht“, will Christian Georg Schuppe, Sprecher der Innenbehörde keinen Zusammenhang sehen. Wie genau die Zahlungen laufen, könne er nicht sagen. Das wiederum weiß Anna Bruns von der GAL. Sie hatte sich im Petitionsausschuß der Bürgerschaft vergeblich für die Familie eingesetzt. Und ist dabei auf eine briefliche Absprache zwischen dem Leiter der Ausländerbehörde, Ralph Bornhöft und der Bischofskanzlei gestoßen. Darin heißt es: „Im Einvernehmen mit dem Sozialamt Wandsbek werden an die Landeshauptkasse DM 3000 bezahlt, Konto 101600, Kennzeichen 506 – BHK 280847-86129.“
„Zahlungen der Kirche waren keine Bedingung“, beteuert Innenbehördensprecher Schuppe. Die Duldung der Familie basiere auf geltendem Asylrecht. Warum die Kirche trotz allem zahlt, will der Pressesprecher der Bischöfin, Volker Gilbert, nicht sagen. Oberkirchenrat Ziehbold lasse ausrichten, „ob eine Finanzierung stattfindet“ sei aus seelsorgerischen Gründen ein Dienstgeheimnis. „Die Bischöfin weiß nichts“, so Gilbert.
Der Arbeitskreis Asyl weiß aber und ist sauer. In einer Anfrage an die Bischöfin verlangt er Aufklärung über die geheime Vereinbarung. In ihrer Antwort dementiert Jepsen, Kopfgeld für die Duldung der Akhtars zu zahlen. Ein Gesprächstermin wurde dem Arbeitskreis für nächsten August angeboten. „Die Kirche hat eine Wächterfunktion, besonders dort, wo Gesetzeslagen schief sind“, empört sich Asylarbeitskreis-Mitglied Främke über die seltsame bischöfliche Vorgehensweise.
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