: Schweigen über den Fall Volkswagen
Wirtschaftsminister Rexrodt fordert, daß die EU-Kommission bei Subventionen für Ostdeutschland weiter beide Augen zudrückt. Nachverhandlungen über Treuhandverträge ■ Aus Brüssel Christian Rath
Eine Schleimspur führt nach Brüssel. Gestern überbrachte Wirtschaftsminister Günther Rexrodt der EU-Kommission ein „Memorandum über die wirtschaftliche Lage in Ostdeutschland“. Ziel des Erinnerungsschreibens: Die Kommission soll bei der Beihilfekontrolle weiterhin beide Augen zudrücken, da die ostdeutschen Entwicklungsrückstände „längst nicht aufgeholt“ seien.
Gesprächspartner von Rexrodt war nicht nur der für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissar Karel van Miert, sondern auch Kommissionspräsident Jacques Santer. Höflich drückte ihnen Rexrodt „Dank und Anerkennung“ für die bisherige Unterstützung aus. Insbesondere das „praxisnahe Beihilfekontrollprogramm“ wurde von der Bundesregierung gewürdigt. Denn es sei gelungen, „auch für schwierige Fälle allseits akzeptable Lösungen zu finden.“
Im Klartext: Die Kommission hat in keinem einzigen Fall innerdeutsche Beihilfen unterbunden. Und das geschah, obwohl bei der Privatisierung der ostdeutschen Braunkohle-, Chemie- und Stahlindustrie den Erwerbern zum Teil milliardenschwere Subventionsgeschenke gemacht wurden.
Aufgabe der europäischen Subventionskontrolle ist es eigentlich, Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Subventionen zu verhindern. Im Falle der Zahlungen an ostdeutsche Betriebe hatte die Kommission allerdings von vornherein ihre Rolle anders definiert. Hier ging es eher darum, gemeinsam Wege zu finden, die Unterstützungen nicht am Europarecht scheitern zu lassen. Im Memorandum der Bundesregierung liest sich das so: „Die enge Kooperation zwischen den zuständigen Arbeitsebenen beider Seiten“ habe sich als „hilfreich und effizient“ erwiesen.
Nach dem Willen von Wettbewerbskommissar van Miert sollen künftig allerdings auch die Subventionen an ostdeutsche Unternehmen wieder richtig kontrolliert werden. Dies hatte der Belgier unter anderem in einem Interview mit der taz angekündigt (taz vom 13. 4. 1996). Die Bundesregierung reagierte alarmiert. Weil „die breite staatliche Unterstützung“ für Ostdeutschland „aufrechterhalten bleiben muß“, wird die Kommission gebeten, „ihre aufgeschlossene und von Verständnis getragene Politik fortzuführen“.
Dies wird schon deshalb nötig sein, weil allein in diesem Jahr 3.000 Privatisierungsverträge nachverhandelt werden sollen. Davon profitieren sollen Unternehmen, die die zugesagten Investitions- und Beschäftigungsversprechen nicht einhalten können. In den kommenden Jahren könnte ähnliches noch einem Großteil der 37.000 Privatisierungsverträge blühen. Begründet wird diese peinliche Entwicklung allein damit, daß die Treuhand das Zusammenbrechen der ostdeutschen Absatzmärkte nicht habe absehen können.
Kein Wort findet sich im Memorandum zu den jüngsten Vorwürfen der Kommission im Falle Volkswagen. Van Miert hatte einst 950 Millionen Mark Subventionen an VW nur unter der Bedingung genehmigt, daß der Konzern bis Ende 1994 rund 4,5 Milliarden Mark in Ostdeutschland investiert. Tatsächlich wurden lediglich 2,5 Milliarden verbaut. In dieser Sache dürfte sich Rexrodt wohl auf hartnäckige Fragen der EU-Kommissare gefaßt machen. Das Gespräch dauerte bei Redaktionsschluß noch an.
Eher am Rande der Gespräche dürfte die zweite deutsche Forderung stehen. Auch nach 1999 soll Ostdeutschland EU-Gelder erhalten. Bis dann werden aus den Gemeinschaftskassen rund 33 Milliarden Mark dorthin geflossen sein. Rexrodt will sicherstellen, daß auch danach die Bedingungen so gestaltet sind, daß Ostdeutschland von EU-Mitteln profitieren kann.
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