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■ Der Beuys-Schüler El Loko bei den Afrika-Wochen im Völkerkunde-Museum

„Selbst die Nacht hat eine Stimme – und auch sie will gehört sein“, dieses Motto von El Loko könnte über den Afrika-Wochen stehen, die im Museum für Völkerkunde zu Ende gehen. Am Samstag las hier der in Duisburg lebende, aus Togo stammende El Loko aus seiner Autobiographie und diskutierte über afrikanische Kunst.

In dem 200-Seelen-Dorf Pedakondji geboren, bewarb er sich als 19jähriger Textildesigner um ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf und kam 1971 dort in die Beuys-Klasse – und eine andere Welt. Er hatte noch nie von Beuys gehört, den ihm zugewiesenen Professor aber vertrauensvoll brieflich um Bezahlung des Fluges gebeten. Aus Afrika kam er mitten in die politisierte Kunstdiskussion jener Zeit mit ihren Eklats – schon ein Jahr später wurde Beuys selbst von der Akademie verwiesen.

“Beuys war ein großer Lehrer. Er hatte eine Art zu erziehen, die der afrikanischen sehr ähnlich ist“, sagt der damals völlig vor den Kopf gestoßene El Loko heute über seine Studienzeit, die er 1977 abschloß. Ein Jahr später wurde er aus Deutschland ausgewiesen. Zurück in Togo war er weder Reisender noch Heimkehrer. Er sah sich als „Fremdkehrer“, wie er es in seiner Lesung mit sanfter Stimme ausdrückte. In dem Buch Der Blues in mir beschrieb er 1986 jenes Gefühl des anderen Blicks auf seine Heimat nach sieben Jahren in Deutschland. Der, dem Beuys gesagt hatte, er müsse seinen eigenen Weg gehen, konnte nichts Eigenes mehr erkennen. Afrikaner von Geburt, zu europäischen Idealen erzogen und in beiden Kontinenten unerwünscht, war er vollkommen dazwischen. Wohl deshalb setzt sich seine Kunst großteils aus kleinen Formen zusammen, ein wändefüllendes Puzzlespiel übermalter Holzformen; auch seine Stelen sind Additionen von Versatzstücken in einer Suche nach einer zukünftigen Sprache, die ihre mystische Aufladung noch erwartet.

1980 kehrte El Loko nach Deutschland zurück und lebt seitdem in Duisburg. 1992 organisierte er ein Treffen europäischer Künstler mit afrikanischen Kollegen in Pedakondji; im Gegenzug sind die Afrikaner für zwei Monate in europäische Ateliers geladen.

Nach Lesung und Diaschau kreiste die Diskussion um die Behandlung von Kunst aus Afrika bei uns. „Es gibt Tausende Kulturen in Afrika, wenn also irgendwo „Afrikanische Kunst“ ausgestellt wird, stört mich die Generalisierung. Afrikanisch ist so ein Etikett, das riecht nach Ware, wie ein besonderes Gemüse.“ El Loko ist aus Togo, er ist ein Ewe, er ist aus Afrika, er ist Künstler – als was würde er sich selbst gern eingeschätzt sehen? „Wir werden so oft nicht gefragt“, antwortet er verschmitzt und fügt ernst hinzu, daß das vielleicht der große Fehler sei. Hajo Schiff

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