: Polizeifreiheit in Friedrichshain
■ Das Wohngebiet rund um die Kreutzigerstraße soll zum „gefährlichen Ort“ erklärt werden. Eingreiftruppe geplant
In der Gegend rund um die Kreutzigerstraße im Bezirk Friedrichshain zu wohnen, wird möglicherweise schon bald ein ganz besonderes Privileg sein. Die Polizei will das Gebiet zu einem „gefährlichen Ort“ im Sinne des ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin) erklären.
Zerrissene Jeans, schleppender Gang, Bartstoppeln und schwarze Ränder unter den Fingernägeln reichen dann möglicherweise aus, um auf der Straße in eine Polizeikontrolle zu geraten. Das Wohngebiet mit mehreren besetzten Häusern und sonstigen „alternativ genutzten Objekten“ (Polizeijargon) wäre damit in dieselbe Kategorie eingestuft wie die Wagenburg an der East Side Gallery. Das Rollheimer Dorf an der Spree war am 12. April diesen Jahres zum „gefährlichen Ort“ erklärt worden, nachdem dort ein Toter aufgefunden worden war und ein Mann mit glühenden Eisenstangen lebensgefährlich verletzt wurde.
Der Leiter der für Friedrichshain zuständigen Polizeidirektion 6, Klaus Krüger, begründete das Vorhaben „mit einer auffälligen Häufung von Straftaten“. Das Gebiet rund um die Kreutziger- und Boxhagenerstraße bis hin zur Frankfurter Allee verkomme immer mehr zu einer „Spielwiese“ für randalelustige Jugendliche. Tätliche Übergriffe auf Polizisten seien das „tägliche Brot“ der Beamten, wenn diese dort wegen ruhestörenden Lärms oder auf der Straße angezündeter Container einschritten. Krüger hat gestern von dem zuständigen Abschnitt des Gebietes eine genaue Auflistung der erfolgten Straftaten in der Zeit zwischen Juli 1995 und Mai 1996 angefordert. Nach Auswertung der Daten soll eine Entscheidung fallen.
Einen „gefährlichen Ort“ kann jede Direktion in Alleinregie ausrufen, wenn dort ein deutlicher Kriminalitätsanstieg verzeichnet wird. Wenn das Gebiet als gefährlich gebrandmarkt ist, kann die Polizei auf der Straße jeden kontrollieren. „Wir können dann leichter feststellen, was da eigentlich so läuft“, so Krüger. Normalerweise bedarf es für eine Kontrolle eines konkreten Verdachts. Wenn Beamte in der Handtasche beispielsweise Haschisch oder einen Krähenfuß finden, können sie nach Angaben von Krüger wegen des Vorliegens eines Anfangsverdachts sofort eine Hausdurchsuchung durchführen. Normalerweise bedarf es dazu eines richterlichen Durchsuchungsbefehls. Bei der Auswahl für die Straßenkontrollen würden sich die Polizisten „am Habitus“ der Passanten orientieren: „Ungepflegte Erscheinung und Bekleidung, Abfall einfach so fallen lassen.“ Oder wie es bei der Polizei heiße: „abweichendes Verhalten“.
Nach Angaben des Direktionsleiters wird das Gebiet um die Kreutzigerstraße bereits seit 14 Tagen von starken „Zivilkomponenten“ (Zivis) durchkämmt. Außerdem soll in Friedrichshain eine eigene Eingreiftruppe stationiert werden, die schnell für Einsätze „aktiviert“ werden könne. Plutonia Plarre
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