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Fair Trade am Beispiel Schokolade

■ Bremens „Eine-Welt-Laden“ darbt vor sich hin. Nun wird er auch von der Behörde entdeckt: Die Agenda 21 macht's möglich

Eine Welt auf 25 Quadratmetern. Es ist düster in dem kleinen Raum, dem Bremer „Eine-Welt-Laden“. Das kleine Schaufenster zur Buchtstraße hin spendet kaum Tageslicht. Bücher gibt es hier, zwischen den gutsortierten Regalen spannt sich eine bunte Hängematte quer durchs Zimmer. Rucksäcke baumeln herum, ein Kinderzug aus Holz drückt sich an die Wand. Honiggläser, Kaffeetüten sind zu sehen, und ganz hinten in der Ecke prangen ein paar Klunker auf blauem Tuch. Wenn eine Schulklasse hier einfällt, muß dieser Laden am Zerbersten sein.

Die Bremer Kids kommen angeblich gern. Klassenführungen im Eine-Welt-Laden „Tupac Amaru“ sind beliebt und der Dankbarkeit der LehrerInnen gewiß. Von Zeit zu Zeit lernen Sechs- bis Zehnjährige hier ungerechte Welthandelsstrukturen am Beispiel Schokolade. Sie spielen Kinder in Entwicklungsländern – daß sie dort für eine Handvoll Reis hart arbeiten müssen, wird so schnell nicht vergessen. So berichten Eltern, PädagogInnen und die Leute vom Laden.

„Tupac Amaru“ hat offenbar eine feste Fangemeinde für seine Waren aus freiem Handel und ökologischem Anbau. Fünfzehn ehrenamtlich arbeitende Personen, vorwiegend Frauen zwischen 30 und 40, und die niedrige Miete im Haus der Naturfreundejugend halten die einstige Initiative am Laufen, die auch nach fünfzehn Jahren nicht dem (optischen) Improvisationsstatus entkommen ist.

Doch plötzlich ist Bremens „Eine-Welt-Laden“ auch für die Behörden interessant geworden. Die Lokale Agenda 21 – der Forderungskatalog für Umwelt und Entwicklung, der '92 in Rio verabschiedet wurde – geht 1996 in sein Jahr der Umsetzung. Weltweit sollen die Kommunen nun ein lokales Aktionsprogramm erarbeiten. Bremen setzte dazu jetzt VertreterInnen aus Politik, Kirche, Wirtschaft, Verwaltung und den zahlreichen unabhängigen Intitiavien und Bürgergruppen an einen runden Tisch. Der Eine-Welt-Laden wird von der Entwicklungsinitiative Nord-Süd-Forum repräsentiert.

„Endlich werden auch wir gefragt“, sagt die Laden-Mitarbeiterin Gertraud Gauer-Süß. „Seit fünfzehn Jahren passiert bei ,Tupac Amaru' das, was die Agenda einundzwanzig auch will: Die Leute haben ein Angebot, in ihrem Alltag positiv an Umwelt und Entwicklung mitzuwirken.“ Das haben auch die offiziellen Stellen inzwischen begriffen. Die Anregungen des Nord-Süd-Forums wurden gehört und sollen aufgegriffen werden. Der faire Handel ist natürlich mit dabei. Aber auch der Ausbau des Themas Süd-Nord in der Bildung.

„Da sind wir vorbereitet.“ Getraud Gauer-Süß, eine Biologin mit dem Bremer Aufbaustudium „Dritte Welt“, präsentiert den „Baumwoll-Koffer“: Baumwoll-Samen stecken darin, Rohbaumwolle, Garnproben, Stoffmuster und jede Menge Ordner mit Info-Material. „Solche Koffer oder Kisten sind sehr in. Wir verleihen sie für 20 Mark, vor allem an Schulen. Dort kann dann gekeimt, gefühlt und gespielt werden. Viele Lehrer haben so etwas schon nachgebaut.“

Für das Team des „Eine-Welt-Ladens“ soll die Agenda 21 eine Chance sein: Die Frauen erhoffen sich mehr Öffentlichkeit und natürlich auch mehr (finanzielle) Unterstützung. ABM-Kräfte wird es künftig wohl nicht mehr geben, und auch sonst sind die Zeiten für den kleinen Laden sehr schwer geworden. Bioläden und auch Supermärkte sind zu Konkurrenten in Sachen Kaffee aus Nicaragua und Tee vom Kilimanjaro avanciert. Man könnte mit dem eher noch exotischen Honig aus Uruguay, mit Palmzucker und Cashewmus oder den Webwaren eines Frauen-Projektes aus Guatemala werben. Doch „Tupac Amaru“ hat einfach keine Möglichkeiten, zu expandieren. Zwar sitzt der Laden immerhin mitten in der City hinterm Landgericht. Eine schöne Lauflage ist dies allerdings nicht. „Wir sollten an den Ostertorsteinweg“, wünscht sich Gauer-Süß.

Da wäre der „Eine-Welt-Laden“ auch tatsächlich seinem Klientel näher. Die einzigen Besucher an diesem Nachmittag sind zwei Herren in „Alternativ“-Kleidung, die schnell einen Blick ins Buchregal werfen. Die Auswahl überzeugt sie: Sachbücher zu Ernährung, Ökologie, Asyl. Didaktisches, Kinderbücher, Romane, jede Menge Zeitschriften. Gekauft haben die beiden Herren nichts. sip

„Tupac Amaru“ war ein peruanischer Mestizenhäuptling, der im 18. Jhdt. gegen die spanischen Kolonisatoren gekämpft hat.

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