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Faible fürs Mediokre

■ Dragstar Alexis Arquette in „Wigstock – The Movie“

„Privat bin ich ein Mann“, stellt Alexis gleich zu Beginn des Gesprächs fest und klappert mit den falschen Wimpern. Gerade eben noch als Luxusfummeltrine auf der Bühne, steht die Arquette reisefertig im Abaton-Foyer, um nach Hause zu eilen. Zu Hause, das ist die Traumfabrik Los Angeles, wo Alexis ein eher zweifelhaftes Engagement angenommen hat: „Ich spiele manchmal in Actionfilmen den harten Kerl, aber mehr aus finanziellen Gründen.“ Im Grunde seines Herzens jedoch ist Alexis eine wahre Dragqueen.

Wigstock – The Movie legt darüber ein beredtes Zeugnis ab. Barry Shils' Dokumentarfilm über das weltweit größte Tunten- und Transenspektakel in New York zeigt den Ausnahmeschauspieler in seiner liebsten Rolle. Aufgebrezelt und unerschrocken plaudert er in Manhattan mit Rowdies und Passanten, die für das von der berühmten Fummeltrine „Lady Bunny“ initiierte Festival der falschen Haare meist wenig Verständnis zeigen.

Gegenüber seiner Schwester Patricia Arquette, die gerade in Flirting With Disaster in den hiesigen Kinos zu sehen ist, ist Alexis in Deutschland ziemlich unbekannt. Mancher wird sich vielleicht an seinen eindringlichen Auftritt in Last Exit To Brooklyn erinnern. Aber kaum eine der Off-Produktionen, in denen er mitspielte, findet den Weg in deutsche Kinos. Dabei sind die No-Budget-Filme sein wichtigstes Ausdrucksmittel.

„Ich habe ein Faible fürs Mediokre, ich liebe Seifenopern.“ In der Aids-Seifenoper Grief („Das war mein Beitrag zum Genre“) brilliert Alexis nicht nur als Entertainer, sondern auch als Sexbombe. „Ich liebe Sex, auch mit vielen Leuten. Mit Darkrooms, wie es sie in Deutschland gibt, kann ich allerdings überhaupt nichts anfangen, ich finde das zu gefährlich.“ Lieber beschert Alexis den Hamburgern eine heiße Strip-Performance in der Diskothek Front. Und wenn er mal auf der Klappe verschwindet, dann nur für den Fotografen. Welcher Schauspieler würde so viel Einsatz zeigen auf der Promo-Tour für einen Dokumentarfilm?

Engagement in Sachen Film fängt aber schon bei der Produktion an: „Ich diskutiere viel mit den Regisseuren über das Drehbuch und versuche möglichst, immer das Beste dabei herauszuholen.“ In so einer intensiven Teamarbeit ist auch Frist entstanden, ein rabenschwarzer Undergroundstreifen um mor-dende Schwule, der auf Filmfestivals stets heftige Kontroversen auslöst. Nach seinen Zukunftsplänen befragt, erzählt der smarte Mime, daß er plant, mit Gus van Sant einen Film zu drehen. Gerne würde er auch mit Pedro Almodovar drehen, doch der hat ihn bislang noch nicht angerufen. Eckhard Bühler

Preview heute, 20 Uhr, Abaton, anschließend Wigstöckel-Party in der Goldenen 13, Hopfenstraße 28 Regulärer Start am 11. Juli

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