piwik no script img

Die feinen Signale erkennen

Wer als Manager im Zeitalter der Joint-ventures nicht mit kulturellen Unterschieden umgehen kann, hat im Auslandsdienst verloren. Das Beispiel Türkei  ■ Von Karin Yeșilada

Ein Fallbeispiel: Deutscher Manager X arbeitet bei deutscher Firma Y, die neuerdings eine Zweigniederlassung in Istanbul betreibt. X soll bald nach Istanbul versetzt werden. Kurz vor seiner Abreise belegt er ein Vorbereitungsseminar in der Schweiz. Die Seminarleiterin ist Politikwissenschaftlerin, entsprechend sind ihre Seminarinhalte zum Thema Türkei: Menschenrechtsverletzung, Folter, Krieg in Kurdistan, islamischer Fundamentalismus, Gefälle von Arm und Reich, Frauenunterdrückung. Manager X verläßt das Seminar mit mulmigem Gefühl. Das läßt ihn auch nicht los, als er bereits in seiner 300-Quadratmeter-Luxuswohnung im Istanbuler Villenviertel am Bosporus wohnt. Irgendwie ist nichts so, wie er es sich vorgestellt hat. In seinem Kopf sind Armenviertel, um ihn herum sattes Grün der benachbarten Villengärten. Sein Leben ist hermetisch abgeschirmt und komfortabler, als er es sich je erträumen ließ: Tennisclub, Segelclub, Rotary, Chauffeur... Wagt er sich bisweilen aus seinem Villenghetto ins Istanbuler Stadtzentrum, so kann er Musliminnen am Kopftuch, Kurden aber nicht am Äußeren erkennen. Frauenspezifik spürt er zunächst nur in Form eines untrüglichen Gefühls jenseits der Gürtellinie, das ihm Affinität zu sexy aufgemachten Türkinnen meldet. Mit dieser Kulturspezifik kann er leben.

Problematischer sind die Frustrationserlebnisse im Arbeitsalltag: Warum sind die türkischen Verhandlungspartner so eilfertig? Kaum betritt er den Raum, springen sie auf, knöpfen sich das Jackett zu und begrüßen ihn überschwenglich. Die anschließende Unterhaltung will nicht enden, Befinden der Frau, Kinder, jüngste Ereignisse aus der Politik ..., wozu das alles, spüren die Türken denn seinen Verhandlungsdruck nicht? Time is money!

Zurück nach Hause mit der Dienstlimousine. Die Bitte des Chauffeurs, wegen der Beschneidungsfeier seines Neffen freinehmen zu dürfen, findet er überzogen, die Angewohnheit des Hausmeisters, das Restgeld nicht auszuhändigen, unverschämt. Die gleichen Probleme hat er mit der Belegschaft in der Abteilung. Diesem Streß ist Manager X nicht gewachsen. Seine Leistung läßt nach, die ihm unterstellte Abteilung arbeitet ineffektiv, wird schließlich einer anderen Abteilung angegliedert. Mit Erleichterung sieht Manager X seiner Rückversetzung nach Deutschland entgegen.

Wirtschaftskonzerne können sich Frustrationen ihrer Manager im Auslandsdienst nicht leisten. Denn hier geht es nicht um Peanuts: Fehlender Teamgeist in der interkulturellen Belegschaft gleich fehlende Wettbewerbsfähigkeit – das kann schnell ins Defizit führen. Interkulturelles Management- Training hätte Manager X vor dem Scheitern bewahren können.

Eine seriöse Adresse dafür ist die International Business Consulting (IBC) in Istanbul. Die beiden Teamleiterinnen – Mine D. ist in Deutschland aufgewachsen, Aylin U. hat in den USA studiert – verfügen über die Erfahrung im Business Consulting hinaus vor allem über interkulturelles Know-how: Ihr Wissen um die Probleme des Managements zwischen den Kulturen haben sie ihrem „Cross-Cultural Orientation Program“ zugrunde gelegt. Die Nachfrage ist groß.

Drei Monate lang können Manager im Einzelunterricht – zweimal in der Woche je 90 Minuten – nicht nur die Sprache vom Grundwortschatz bis zum Alltagsgebrauch lernen. Darüber hinaus erfahren sie Wesentliches über die „materielle Kultur“ des Landes, vom Bankensystem über Ortsmieten bis zu Einkaufsmöglichkeiten. Über die „soziale Kultur“ der Bevölkerung, Familienstrukturen, Erziehungsmuster, Werte und Normen, Religion.

Dies ist kein touristischer Ansatz, vielmehr geht es um das Erkennenkönnen von landesüblichen Verhaltensmustern. Der Manager lernt, daß die „unnütze Plauderei vor der Sitzung“ nach türkischem Verhaltensmuster unverzichtbare „Aufwärmphase“ ist, in der erst einmal die Vertrauensatmosphäre für die nachfolgenden Verhandlungen geschaffen wird. Keine Panik also vor intimen Fragen, entspannen für die kleine Plauderei, Bereitschaft signalisieren und die Einladung zur Tasse Mokka akzeptieren. „Analyse und Vergleich kultureller Standards“ lehren den Manager, daß die Ablehnung des Getränks in Deutschland eine Höflichkeit, in der Türkei jedoch ein Affront ist.

Affrontvermeidung als Ziel des Trainingsprogramms geht bis in die Kleiderordnung und Körpersprache. Wer die feinen Signale des offenen oder zugeknöpften Jacketts, des Händedrucks und des Aufstehens – mithin alles kulturübergreifende Normen, die in der Türkei noch zum guten Stil gehören – nicht (er)kennt, wirkt leicht wie der Elefant im Porzellanladen. Mit solch einem „maganda“ macht man jedoch ungern Geschäfte auf türkischer Seite. Im türkischen Management zählt der „kültürlü adam“, der gebildete Manager. Wer mit direkter Kritik – eine deutsche Tugend – über Land und Leute daherkommt, wird verlieren. Beiläufig im Gespräch über die Vorzüge der osmanischen Kunst plaudern zu können macht den deutschen Manager zum Winner. Die Teamerinnen des IBC halten dafür eigens angelegtes Anschauungsmaterial über türkische Kultur bereit – von der Compact Disc klassischer türkischer Musik bis zu deutschen Übersetzungen türkischer Schriftsteller.

Der deutsche Manager muß sich vor allem umorientieren. Waren Türken für ihn bisher immer „Gastarbeiter“, Kebabverkäufer und Fabrikarbeiter, so hat er es in der Türkei mit verschiedenen Schichten zu tun, die er unterscheiden können muß. Vor allem bei den türkischen Topmanagern trifft er auf Angehörige einer Oberschicht, die ihn selbst in „Niveau“ und „Lebensqualität“ weit übertrifft. Den Umgang mit Chauffeuren und Dienstpersonal muß sich der deutsche Manager erst aneignen.

Die Vorzüge des „Cross-Cultural Orientation Program“ liegen in der Anschaulichkeit des Seminarstils: Kulturelle Verhaltensnormen werden per Rollenspiel geübt, in der die jeweilige Situation hautnah ausgetestet und anschließend analysiert wird. Im abschließenden Online-Training hospitiert die Teamerin bei firmeninternen Sitzungen, um anschließend Verhalten und Körpersprache zu bewerten. Nach Abschluß der Transferanalyse hat sich der Manager sein eigenes spezifisches Regelwerk für erfolgreiches Management in der Türkei zusammengestellt.

Kontakt: International Business Consulting (IBC)

Perçemli Sok. Cemaat Han, Kat 3

80000 Karaköy – Istanbul

Tel.: 0090-212-2493201, -2496317

Fax: 0090-212-2450261, -2430985

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen